Sommer der Entscheidung
Owens ins Auto und lebt sein Leben weiter, als sei nie etwas geschehen. Und das heißt für ihn trinken und fahren. In genau dieser Reihenfolge.“
„Er ist bei den Anonymen Alkoholikern, Tessa. Du hast gehört, was Avery gesagt hat. Owens will nach seiner Haftentlassung bei dieser Organisation weitermachen, das ist Teil der Vereinbarung, wenn er auf Bewährung entlassen wird.“
„Würdest du nicht dasselbe sagen, wenn du an seiner Stelle wärst?“
„Ja, und vielleicht würde ich es auch genauso meinen.“ Mack legte seine Hand auf ihren Arm. „Glaubst du, ich vermisse sie nicht ebenso sehr wie du? Ich vermisse sie ganz entsetzlich. Das weißt du. Aber habe ich das Recht, darauf zu bestehen, dass der junge Mann sich nicht bessert? Oder hast du das Recht dazu? Haben wir das Recht anzunehmen, dass er dieselbe Person geblieben ist wie die, die damals ins Gefängnis gewandert ist?“
„Er ist ein Säufer und ein Mörder!“
Mack schüttelte den Kopf. „Es ist eine Herausforderung für uns, die schwerste, die wir jemals haben meistern müssen, aber jetzt müssen wir im Zweifel für den Angeklagten sein. Bisher hat er alles getan, was von ihm verlangt wurde, und sogar noch mehr. Er wird wieder bei seiner Mutter einziehen, und soweit man weiß, ist sie ein guter Mensch und wird einen positiven Einfluss auf ihn haben.“
„Aber warum hat sie dann nicht verhindert, dass er unsere Tochter tötet?“ Aber Tessa kannte die Geschichte, und als Mack seine Hand von ihrem Arm zurückzog und darauf wartete, dass sie sich wieder unter Kontrolle hatte, hallten die Aussagen der Mutter durch ihren Kopf, so wie sie vor drei Jahren im Gerichtssaal geklungen hatten.
Die Eltern von Robert Owens hatten sich scheiden lassen, als er dreizehn Jahre alt war. Der Junge litt unter ihrerTrennung, verhielt sich auffällig und machte Ärger. Obwohl die Mutter das Sorgerecht hatte, hielt er sie für zu streng. Er lief aus Manassas weg und zog zu seinem Vater nach Fairfax. Und trotz der Beschwörungen der Mutter bei Gericht, dass der Vater einen schlechten Einfluss auf Robert habe und keinerlei Kontrolle über ihn ausübe, waren die Behörden damals nicht eingeschritten.
„Sie konnte ihn nicht kontrollieren, als er noch ein Teenager war“, sagte Tessa. „Wieso glaubst du, sie könnte es jetzt?“
„Robert muss sich selbst in den Griff bekommen“, sagte Mack. „Aber sie kann dafür sorgen, dass er ein Zuhause hat, das er braucht, um wieder auf die Füße zu kommen. Der Vater ist nicht mehr da, um sich einzumischen und Robert dabei zu stören, dass er sich wieder in die Gesellschaft einfügt.“
Als Robert im Gefängnis seine Strafe absaß, war sein Vater gestorben. Tessa hatte nicht das geringste Mitleid mit ihm oder seinem Sohn gehabt. Sie rutschte in ihrem Sitz hin und her, sie brannte darauf, auszusteigen. „Hast du das Richter Lutz erzählt? Als du mit ihm diesen Termin vereinbart hast? Hast du ihm gesagt, dass du verstehst, warum sie den Mörder von Kayley freilassen, aber dass ich es noch einmal aus seinem Munde hören sollte?“
In seinen Augen blitzte Ärger auf. „Nein. Ich habe ihm gesagt, dass wir beide erschüttert sind und dass uns versichert wurde, dass Owens seine vier Jahre Haft vollständig verbüßen werde, bevor er auf Bewährung entlassen werde. Ich habe Lutz um Hilfe gebeten.“
Sie schämte sich. Mack manipulierte niemanden. Wenn überhaupt, dann war er fast zu ehrlich. Sie wusste, dass er sie niemals unter falschen Vorgaben zu dem Treffen mit dem Richter mitgenommen hätte.
Sie sah aus dem Fenster. Sie wollte jemanden für dieses absurde Spiel der Justiz beschuldigen, und zufällig saßMack neben ihr. Sie hatte ihn nach Kayleys Tod aus demselben Grund beschuldigt. Wenn er Kayley zur Schule gebracht hätte, so, wie er es versprochen hatte … Wenn er nur nicht seiner Arbeit Vorrang gegeben hätte …
Was Tessa in der Zeit nach Kayleys Tod gelernt hatte, war, dass es nur einen Schuldigen gab. Und er war zu einer Gefängnisstrafe von wenigen Jahren verurteilt worden.
„Es tut mir leid.“ Sie starrte aus dem Fenster auf das graue Schindeldach, die immergrünen Büsche, die im Vorgarten sorgfältig arrangiert waren, auf den Mulch und die Steine, die ebenfalls strategisch in Gruppen auf dem Rasen lagen. „Ich weiß, dass du Richter Lutz um Hilfe gebeten hast.“
„Es gibt nichts, was wir jetzt tun können“, sagte er. „Wir müssen die Dinge so sein lassen, wie sie sind, auch wenn es schwerfällt.
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