Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sommer der Entscheidung

Sommer der Entscheidung

Titel: Sommer der Entscheidung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emilie Richards
Vom Netzwerk:
das Sie mir ausgeliehen haben, Tess . Das ist ein hübscher Name. Hat Ihre Mutter Sie nach dem Mädchen aus der Geschichte benannt?“
    Tessa verzog das Gesicht. „Ich hoffe nicht. Nein. Tessa ist nur mein Spitzname.“ Nancy hatte sie wichtigtuerisch Teresa Michelle getauft, aber Billy hatte den Namen auf Tessa gekürzt, als er das Baby zum ersten Mal sah.
    Cissy griff in die Leinentasche, die sie mitgebracht hatte. Sie nahm ein sorgfältig gefaltetes Tuch heraus und ein Nadelkissen, das die Form einer Tomate hatte und in dem viele Nadeln steckten. Dann holte sie das Buch hervor und reichte es Tessa.
    Tessa hatte nicht damit gerechnet, Hardys Roman so bald wiederzusehen, wenn überhaupt. Es rührte sie, dass Cissy soprompt und zuverlässig war. Tessa wünschte, sie hätte Helens bunte Sammlung von Taschenbüchern oder ihren eigenen Stapel gründlicher nach etwas durchsucht, das Cissy lesen könnte.
    „Wenn du möchtest, schaue ich nach einem Buch, das dir vielleicht besser gefällt“, sagte Tessa. „Gram hat eine ziemlich große Auswahl.“
    „Oh, mir hat es gefallen. Es war nicht unbedingt das leichteste Buch, das ich jemals gelesen habe, aber es brachte mich zum Nachdenken. Und ich mag Bücher, die so sind.“
    Tessa war überrascht. „Du hast es durchgelesen.“ Es fiel ihr schwer, den Satz nicht wie eine Frage klingen zu lassen.
    „Letzte Woche. Aber ich habe es an einigen Stellen öfters gelesen, ich hatte noch einige Fragen. Deshalb habe ich es so lange behalten. Ich hoffe, das war in Ordnung? Sie haben es sicher schon früher vermisst?“
    „Nein. Nein …“ Tessa setzte sich auf einen Stuhl. Die Lehrerin Tessa MacRae konnte der Versuchung nicht widerstehen: „Welche Fragen hattest du?“
    „Na, wissen Sie, früher war alles anders. Das ist schon klar. Und ich nehme an, in England, wenigstens damals, konnten die Leute nicht aus ihrer Haut und Dinge verändern … Ich meine, ein Bettler konnte nicht aus sich einen Prinzen machen.“
    Nur in den Geschichten von Mark Twain war das möglich. Tessa ermunterte Cissy mit einem Kopfnicken weiterzusprechen.
    „Aber was ich denke, ist, dass Mr. Hardy, der Autor, wissen Sie, dass er glaubte, dass man die Welt nicht verändern konnte. Es war egal, was Tess versuchte oder was sie tat. Ihr Schicksal war schon entschieden. Wer glaubt daran? Ich meine, wenn Sie nichts in Ihrem Leben verändern können, warum sollten Sie dann weiterleben?“
    Tessa nahm an, dass jetzt eine Erklärung vonnöten war. „Als Hardy lebte, waren die Zeiten schwierig. Die Welt veränderte sich enorm zu der Zeit. Er war zwischen dem Leben auf dem Land gefangen, was seinen eigenen Rhythmus hatte und dadurch ein wenig Sicherheit bot, und der Industrialisierung. Das bedeutete, dass es viele Veränderungen gab, in dem, was die Leute taten und dachten. Alles war mehr oder weniger ein riesiges Chaos. Deshalb ist sein Roman so …“, Tessa suchte nach dem richtigen Wort.
    „Düster?“
    Tessa bemerkte, dass ihr diese Unterhaltung Spaß machte, obwohl sie sich hütete, sich zu sehr einzulassen. Sie hatte angenommen, dass Cissy, auf Grund der Art, wie sie sprach, ihrer Grammatik, ja wegen ihres Status’, nichts aus der Lektüre des Buches für sich herausziehen konnte. Wie zu viele der Charaktere in Hardys Büchern, hatten Tessas Vorurteile über Klasse und Ausbildung ihre Einschätzung von Cissy beeinflusst.
    „Düster, das ist richtig“, gab Tessa zu.
    „Wissen Sie, die Welt ist doch heute genauso. Schauen Sie sich das Leben hier draußen nur an. Ich wette, wenn Sie Ihre Großmutter fragen, dann erzählt sie Ihnen, dass die Dinge sich so schnell ändern, dass es nicht viel Sinn ergibt, wenn man Pläne auf Grund dessen macht, wie es früher einmal war. Zeke zum Beispiel. Vor nicht allzu vielen Jahren hätte er die Farm übernommen, wenn Mr. Claiborne stirbt. Genauso wie Gabe und Josh.“
    „Gabe und Josh?“
    „Seine älteren Brüder. Gabe lebt die Straße rauf, er arbeitet mit Mr. Claiborne, und Josh ist Lastwagenfahrer, aber er kommt nach Hause, wenn sie ihn brauchen. Egal, jedenfalls gibt es nicht genügend Arbeit für alle drei auf der Farm. Josh ist es egal, aber Gabe möchte den Hof behalten. Also ist nichtgenügend Arbeit für Zeke da.“
    Tessa hörte ein Rauschen, als sie gegen ihren Willen immer weiter in die Familiengeschichte von Cissy hineingesogen wurde. „Das ist bestimmt schwierig für ihn.“
    „Oh nein. Nein. Das ist gut. Sehen Sie, Zeke will – er möchte kein

Weitere Kostenlose Bücher