Sommer der Entscheidung
Menschen? Vielleicht einen Spaziergang machen oder in ein Museum gehen? Ins Kino gehen,als sei ihr eigenes Leben nicht dramatisch genug?
„Wir können einfach den Tag zusammen verbringen“, sagte er, als habe er ihre unausgesprochenen Fragen gehört. „Keine Verpflichtungen. Lass uns nicht mehr von Owens sprechen. Ich vermisse dich. Ich vermisse es, mit dir zusammen zu sein.“
Einen Moment lang war sie versucht, nachzugeben. Vielleicht war dies die einzige Chance, ihren Weg gemeinsam weiterzugehen. Einfach ein wenig Zeit miteinander zu verbringen und dann noch mehr Zeit. Vielleicht ein wenig zu lachen, mehr zu lachen. Eine Mahlzeit miteinander einzunehmen ohne Beschuldigungen, vielleicht noch eine und dann noch eine …
Aber schließlich konnte sie es nicht ertragen. Denn gleichgültig, was sie tun würden, es gab immer diesen einen Stuhl, der leer blieb, es fehlte immer eine Pause in ihrem Gespräch, das von einem Kind unterbrochen wurde. Ständig vermisste sie das hohe Lachen eines kleinen Mädchens.
Schließlich war sie einfach zu feige, Mack wieder zu begegnen.
„Ich muss zurück.“ Sie öffnete die Tür. „Heute Nachmittag kommt ein Nachbar, um Gram zu besuchen, und da sollte ich da sein. Gram ist so ungeduldig, man weiß nie, was sie als Nächstes sagen wird.“
„Kann sich deine Mutter nicht darum kümmern?“
„Du kennst doch meine Mutter. Die zwei werden einen ihrer heftigen Streits vom Zaun brechen, ob nun Gäste da sind oder nicht.“
Er versuchte nicht, sie zurückzuhalten. „Also gut. Grüß sie schön von mir.“
„Mach ich.“ Sie war schon ausgestiegen, als er wieder anfing zu sprechen.
Er sprach nicht laut, aber sie konnte ihn trotzdem verstehen. „Wenn es dir jemals zu anstrengend wird, mir aus dem Weg zu gehen, dann weißt du ja, wo ich wohne.“
Cissy trug ein gestreiftes Oberteil, das sich über ihren dicken Bauch wölbte und das aussah wie ein Sonnenschirm. Sie hatte sich die blonden Haare hochgebunden, aber feuchte Locken umrahmten ihren Nacken und die Stirn. Für Tessa sah sie aus wie ein frühreifes Mädchen auf einem Poster.
„Gram ist oben und sucht noch ein paar Dinge zusammen“, sagte Tessa, als Cissy sich die Stufen zur Veranda hochwuchtete. „Sie wird gleich hier sein.“ Sie senkte die Stimme. „Sie freut sich wirklich auf heute Nachmittag, auch wenn sie dir wahrscheinlich etwas anderes erzählen wird. Seit dem Mittagessen hat sie Fäden, Nadeln und Schnittmuster zusammengesucht.“
Cissy setzte sich auf den gleichen Stuhl wie bei ihrem letzten Besuch, als sei es ihr eigener. „Ich habe mich auch auf heute gefreut. Ich möchte wirklich einen Quilt für das Baby nähen. Ich weiß nicht, ob es ein Junge oder ein Mädchen wird. Ich habe dem Doktor gesagt, dass ich es nicht vorher wissen möchte, und Zeke ist es egal, sagt er. Aber ich glaube, dass es ihm nicht gleichgültig ist, was es wird.“
Tessa konnte sich nicht helfen und fragte nach: „Er möchte einen Jungen?“
„Nein, Ma’am. Er wünscht sich ein Mädchen. Er sagt, er hätte gern ein Mädchen, das so aussieht wie ich.“
Cissy wurde rot. „Er ist ein guter Mann. Ich hoffe, dass Sie genauso über ihn denken.“
„Ich bin nicht diejenige, die irgendetwas denkt.“ Tessa ertappte sich dabei, wie hart und kalt ihre Stimme klang, als sie das sagte, und das irritierte sie. Sie war in Gedanken immer noch bei der Unterhaltung mit Mack, obwohl die schon einige Stunden zurücklag. Und sie hatte die letzte Nacht nichtgut geschlafen. Sie war um zwei Uhr nachts von ihrem Albtraum aufgewacht. Wieder hatten die Bremsen gequietscht und sie beinahe zu Tode erschreckt. Danach konnte sie nicht mehr einschlafen.
Sie versuchte, ihre Stimme wärmer klingen zu lassen. „Was ich sagen wollte, es ist dein Leben, Cissy, und niemand kann darüber bestimmen außer dir.“
„Ja, ich weiß. Aber ich mache mir Gedanken darüber, dass Leute schlecht von ihm denken, weil ich mit ihm zusammenlebe und von ihm schwanger bin.“
Tessa versuche, dieses Minenfeld zu umgehen. Sie war zu erschöpft für Vertraulichkeiten, emotional zu mitgenommen, um sich in Cissys Familiengeschichten einzumischen. Sie suchte nach einem Gesprächsthema, das unverfänglicher war, und hoffte, ihre Großmutter käme bald die Treppe herunter. Nancy, die oben damit beschäftigt war, Tischwäsche zu sortieren, würde ihr nicht zu Hilfe eilen.
Cissy brachte von sich aus das Gespräch auf ein anderes Thema. „Ich habe Ihnen das Buch mitgebracht,
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