Sommer der Nacht
Zeitungen dort mit den Notizen abgleichen, die er sich in der Universität gemacht hatte, aber es gab nichts Neues. Der Artikel in der New York Times über die Party zu Ehren der Glocke im Jahre 1876 war interessant -ein externer Beweis, daß das Ding außerhalb von Elm Ha-ven tatsächlich existierte -, aber andere Hinweise darauf konnte er nicht finden. Er versuchte, von der dortigen Bibliothekarin die Telefonnummer der Ashley-Montagues zu bekommen und sagte, er könne seinen Aufsatz für die Schule nicht beenden, wenn er nicht die Bücher der Historischen Gesellschaft einsehen konnte, die der Familie vererbt worden waren, aber Mrs. Frazier sagte, sie habe keine Ahnung, wie die Nummer war - reiche Familien hatten immer eine Geheimnummer, was, wie Duane herausfand, zumindest bei dieser reichen Familie zutraf-, dann strich sie Duane verspielt über den Kopf und sagte: »Es ist sowieso nicht gesund, in den Sommerferien Schularbeiten zu machen. Und jetzt raus mit dir an die frische Luft, zieh dir etwas Leichteres an und geh spielen! Wirklich, deine Mutter sollte dir andere Sachen zurechtlegen -man stelle sich vor, bei Temperaturen über dreißig Grad heute.«
»Ja, Ma'am«, hatte Duane gesagt, die Brille genommen und war gegangen. Er kam rechtzeitig nach Hause, daß er dem Alten helfen konnte, vier Schweine zu verladen und zum Markt nach Oak Hill zu fahren. Duane seufzte, als er sah, wie sein vierstündiger Ausflug in zehn Minuten mit dem Auto zu bewerkstelligen war. Nächstes Mal würde er sich nach den Plänen des Alten erkundigen, bevor er wieder zu Fuß aufbrach.
Am Samstag war in der zweiten Gratisvorstellung des Sommers Herkules zu sehen, ein älterer Film, den Mr. Ashley-Montague offenbar von einer Autokinovorstellung mit drei Spielfilmen in Peoria zurückbehalten hatte. Duane besuchte die Gratisvorstellungen selten, und zwar aus demselben Grund, weshalb er und der Alte einen Fernseher besaßen, den sie nie einschalteten - in erster Linie fanden sie Bücher und Rundfunksendungen anregender für die Fantasie als Filme und Fernsehserien.
Aber Duane mochte Filme mit italienischen Muskelmännern. Und auch die Synchronisation gefiel ihm: Der Schauspieler bewegte zwei Minuten wie von Sinnen die Lippen, aber von der Tonspur kamen nur ein paar Silben. Außerdem hatte Duane einmal gelesen, daß ein alter Mann in einem Studio in Rom sämtliche Geräuscheffekte für diese Filme machte - Schritte, Schwertkämpfe, Pferdehufe, ausbrechende Vulkane, rein alles -, und dieser Gedanke versetzte ihn regelrecht in Verzückung.
Aber nicht aus diesem Grund ging er am Samstagabend in die Stadt. Duane wollte mit Mr. Ashley-Montague sprechen, und dies war die einzige Möglichkeit, wie er ihn erwischen konnte.
Duane hätte seinen Vater gebeten, ihn zu fahren, aber der Alte hatte nach dem Abendessen angefangen, mit einer seiner Lernmaschinen zu experimentieren, und Duane wollte das Schicksal nicht herausfordern, indem er um eine Fahrt in die Stadt bat, die an Carl's Tavern vorbeiführen würde.
Der Alte lötete und blickte nicht auf, als Duane ihm sagte, wohin er ging. »In Ordnung«, sagte er mit einem Gesicht, das hinter Rauch vom Schaltbrett vorborgen war, »aber geh nicht zu Fuß nach Hause, wenn es dunkel ist.«
»Okay«, sagte Duane und fragte sich, was der Alte für Vorstellungen haben mochte, wie er nach Hause kommen sollte.
Wie sich herausstellte, mußte er nicht den ganzen Weg gehen. Er war gerade am Haus von Dales Onkel Henry vorbeigekommen, als der Laster mit Onkel Henry und Tante Lena aus der Einfahrt stieß.
»Wohin des Weges, Junge?« Onkel Henry kannte Dua-nes Namen, nannte aber jeden Mann unter vierzig >Junge<.
»In die Stadt, Sir.«
»Zur Gratisvorstellung?«
»Jawoll, Sir.«
»Spring rein, Junge!«
Tante Lena hielt die Tür des alten International-Lasters auf, und Duane kletterte hinein. Es war eng.
»Ich kann gerne hinten mitfahren«, sagte Duane, der merkte, daß er die Hälfte der gepolsterten Sitzbank einnahm.
»Papperlapapp«, sagte Onkel Henry. »Ist gemütlicher so. Halt dich fest!« Der Laster begann die Achterbahnfahrt des ersten Hügels, ratterte durch die Dunkelheit in der Sohle und kletterte den Gipfel des Hügels hinauf, wo der Friedhof Calvary lag.
»Fahr rechts, Henry«, sagte Tante Lena. Duane stellte sich vor, daß die alte Dame das jedesmal gesagt hatte, wenn sie diese Strecke gefahren waren - also jedesmal, wenn sie in die Stadt oder fast überall sonstwohin gefahren waren - und fragte
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