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Sommer der Nacht

Titel: Sommer der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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zwanzig tiefer und wäre beinahe über Onkel Henry und Tante Lena gestolpert, als er landete.
    Er lief, damit er Duane einholte, aber der schwere Junge hatte den Park bereits verlassen, ging mit den Händen in den Taschen die Broad Avenue entlang, pfiff eine Melodie und hatte offenbar die Ruine des alten Herrenhauses der Ashleys zwei Blocks südlich als Ziel. Dale hatte keine Angst mehr vor der Nacht - diesen Unsinn hatte er hinter sich -, aber er wollte eigentlich nicht in der Dunkelheit unter den alten Ulmen gehen. Außerdem ertönten Musik und synchronisierte Dialoge hinter ihm, und er wollte Herkules sehen.
    Dale drehte sich wieder zum Park um und überlegte sich, wenn er heute abend nicht mehr mit Duane sprechen konnte ... nun ... dann würde er in den nächsten paar Tagen mit ihm sprechen. Kein Grund zur Eile. Es war Sommer. Und es waren Ferien.
    Duane ging auf der Broad Avenue nach Westen und war so aufgeregt, daß er sich nicht auf den Film konzentrieren konnte. Der Schatten des Laubs fiel dunkel auf die Straße. Straßenlaternen, die südlich verliefen, wurden von Zweigen und Blättern verdeckt. Im Norden lag eine einzige Zeile kleiner Häuser, deren schmucklose Vorgärten ineinander übergingen und in Unkraut ausliefen, wo die Eisenbahnschienen sich nach Süden krümmten und zwischen den Maisfeldern verschwanden, wo die Straße aufhörte. Nur das alte Anwesen der Ashley-Montagues, das die Leute immer noch Villa Ashley nannten, lag am Ende dieses dunklen Weges.
    Duane betrachtete die gekrümmte Einfahrt, die durch überhängende Zweige und ungeschnittene Hecken zu einem Tunnel gemacht wurde. Von dem Haus war wenig übrig, abgesehen von den verkohlten Überresten zweier Säulen und dreier Kamine sowie ein paar schwarzen Balken, die in den Keller gestürzt waren, wo es von Ratten wimmelte. Duane wußte, Dale und die anderen Jungs machten oft ein Spiel daraus, diese Einfahrt entlangzufahren, an der vorderen Veranda vorbei, wo sie sich weit hinaus lehnten, damit sie die Säulen oder Verandastufen berühren konnten, ohne abzusteigen oder zu bremsen. Aber es war sehr dunkel - nicht einmal Glühwürmchen glommen in den buschigen Tiefen der kreisförmigen Einfahrt. Lärm und Licht und die Menschenmenge der Gratisvorstellung lagen zwei Blocks hinter ihm und wirkten durch die dazwischenliegenden Bäume noch weiter entfernt.
    Duane hatte keine Angst vor der Dunkelheit. Eigentlich nicht. Aber heute hatte er kein Interesse daran, diese Einfahrt entlangzu-schlendern. Er ging pfeifend einen Kiesweg hinunter, der sich mit den neuen Straßen kreuzte, wo Chuck Sperling lebte.
    Hinter ihm in der Dunkelheit, wo die Einfahrt am dichtesten zugewuchert war, regte sich etwas, bewegte Zweige und wuselte um die Peripherie eines vergessenen Springbrunnens herum, der sich auflöste zwischen Unkraut und Verfall.

15 
    Sonntag, der 12. Juni, war warm und dunstig, eine Wolkendecke verwandelte den Himmel in eine über das Land gestülpte graue Schüssel. Um acht Uhr lag die Temperatur schon bei fünfundzwanzig Grad, gegen Mittag waren es über dreißig. Der Alte stand früh auf und ging auf die Felder, daher verschob Duane die Lektüre der New York Times, bis ein Teil der Arbeit getan war.
    Er ging die Bohnenreihen hinter der Scheune entlang und riß das Unkraut aus, das dort wuchs - als er das Auto sah, das in die lange Einfahrt bog. Zuerst dachte er, es wäre Onkel Art, aber dann wurde ihm klar, daß es ein kleineres weißes Auto war. Dann sah er das rote Licht auf dem Dach.
    Duane kam aus dem Feld und wischte sich das Gesicht mit einem Zipfel seines offenen Hemdes ab. Es war nicht Barneys Constableauto; auf der Fahrertür stand in grünen Buchstaben CREVE COEUR COUNTY SHERIFF. Ein Mann mit schmalem, braungebranntem Gesicht, dessen Augen hinter einer spiegelnden Fliegerbrille verborgen waren, sagte: »Ist Mr. McBride da, Junge?«
    Duane nickte, ging zum Rain des Bohnenfeldes, steckte zwei Finger in den Mund und pfiff laut. Er sah, wie die ferne Silhouette seines Vaters innehielt, sich aufrichtete und näher kam. Duane rechnete fest damit, daß Wittgenstein aus der Scheune gehinkt kommen würde.
    Der Sheriff stieg aus seinem Auto: ein großer Mann, stellte Duane fest, mindestens eins fünfundachtzig. Möglicherweise mehr. Er setzte den breitkrempigen Sheriffs-hut auf, und der Gesamteindruck der Größe des Mannes, des kantigen Kiefers, der Sonnenbrille, des Pistolengürtels und der Lederstiefel erinnerte Duane an ein Rekrutierungsplakat.

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