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Sommer der Nacht

Titel: Sommer der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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aufrappelte. Duane wußte nicht, ob sein Vater ihn oder den Dobermann gemeint hatte.
    Duane war auf den Knien, als das Tier wieder sprang.
    Diesmal mußte das Vieh den Alten überwinden, wenn es den Jungen wollte, und es zeigte alle Anzeichen, genau das zu tun; es sprang mit einem Knurren, bei dem sich Duanes Magen verkrampfte.
    Der Alte machte eine Pirouette, hielt die Stange mit beiden Händen, ließ den Hund vorbeispringen und schwang die Metallstange nach oben. Duane fand, er sah wie ein Schläger aus, der Bälle zu einem fernen Spielfeld schlägt.
    Die Stange erwischte den Dobermann unter dem Kiefer, riß den Kopf in eine unmögliche Haltung zurück und bewirkte, daß der ganze Körper einen Purzelbaum schlug, bevor er gegen die Schuppenwand krachte und daran herunterrutschte.
    Er rappelte sich hoch und entfernte sich von dem Tier, aber diesmal stand der Dobermann nicht mehr auf. Der Alte ging hin und kickte dem Vieh unters Kinn; der Kopf wackelte wie etwas an einem losen Faden. Die Augen waren weit aufgerissen und bereits vom Tod glasig.
    »Mann«, sagte Duane, der spürte, wenn er nicht versuchte, einen Witz zu machen, würde er sich einfach hinlegen und anfangen zu plärren. »Das wird aber eine Überraschung für Mr. Congden sein.«
    »Scheiß auf Congden!« sagte der Alte mit teilnahmsloser Stimme. Seit das Auto des Sheriffs vor acht Stunden in die Einfahrt gefahren war, hörte er sich zum erstenmal entspannt an. »Bleib dicht bei mir.«
    Der Alte ging mit erhobener Stange um die Ecke des Hauses auf Betonklötzen herum und zur Eingangstür hoch. Diese war immer noch verschlossen. Niemand reagiert auf das Klopfen.
    »Hörst du was?« Der Alte pochte mit der Metallstange.
    Duane schüttelte den Kopf.
    »Ich auch nicht.«
    Da begriff Duane. Entweder war der Hund da drinnen plötzlich stumm geworden, oder er lag tot im Hof. Jemand hatte ihn herausgelassen.
    Der Alte ging zum Bordstein und sah die Depot Street rauf und runter. Unter den Bäumen war es fast dunkel. Grollen aus dem Osten kündigte ein Gewitter an. »Komm mit, Duane!« sagte der Alte. »Wir suchen dein Buch morgen.«
    Sie waren fast beim Wasserturm, und Duane hatte beinahe aufgehört zu zittern, als ihm die Abmachung wieder einfiel. »Deine Flasche«, sagte er und verabscheute sich, weil er den Alten daran erinnerte, dachte aber, daß er es verdient hatte.
    »Scheiß auf die Flasche!« Der Alte sah Duane an und lächelte fast unmerklich. »Wir trinken Pepsi auf Onkel Art. Das habt ihr beiden doch ständig miteinander getrunken, oder nicht? Wir trinken auf ihn und erzählen Geschichten von ihm und halten eine richtige Totenwache. Dann gehen wir früh ins Bett, damit wir morgen beizeiten rauskommen und erledigen können, was zu erledigen ist. Okay?«
    Duane nickte.
    Jim Harlen durfte das Krankenhaus am Sonntag verlassen, genau eine Woche nach seiner Einlieferung. Sein linker Arm war in einem hinderlichen Gips, Kopf und Rippen noch verbunden, er hatte durch den Bluterguß Augen wie ein Pandabär und mußte immer noch Mittel gegen die Schmerzen nehmen. Aber der Arzt und seine Mutter hatten entschieden, es wurde Zeit, daß er nach Hause kam.
    Harlen wollte nicht nach Hause.
    Er konnte sich nicht richtig an den Unfall erinnern. Er wußte aber mehr, als er zugab: wie er an diesem Sonntag zur Gratisvorstellung geschlichen war, wie er Old Double-Butt gefolgt war und beschlossen hatte, an der Schule hinaufzuklettern, um einen Blick hineinzuwerfen. Aber den eigentlichen Absturz - und was ihn verursacht hatte-, daran konnte sich Harlen nicht erinnern. Jede Nacht im Krankenhaus war er aus Alpträumen aufgewacht, hatte gestöhnt und mit klopfendem Herzen und hämmerndem Kopf das Metallgestell des Krankenbetts umklammert. In den ersten Nächten war seine Mutter dagewesen; nach einer Weile lernte er, der Nachtschwester zu läuten, nur damit er einen anderen Menschen bei sich hatte. Die Schwestern - besonders Mrs. Carpenter, die ältere - taten ihm den Gefallen, blieben im Zimmer und strichen ihm manchmal über das kurze Haar, bis er wieder eingeschlafen war.
    Harlen konnte sich nicht an die Träume erinnern, derentwegen er schreiend aus dem Schlaf hochschreckte, aber er erinnerte sich an das Gefühl, das sie hinterließen, und das reichte aus, daß er eine Gänsehaut bekam und ihm übel wurde. Dasselbe Gefühl hatte er, wenn er daran dachte, nach Hause zu gehen.
    Ein Freund seiner Mutter, den Harlen nie gesehen hatte, fuhr sie nach Hause, wobei Harlen hinten im

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