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Sommer der Nacht

Titel: Sommer der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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nach jahrelangem Fischen so gut kannte. Dann wurde sie von den schnelleren Strömungen flußabwärts bei der Brücke erfaßt, der graue Fleck wurde zerrissen, hinuntergezogen und vereinte sich mit dem Wasser des Flusses.
    Duane warf einen Stein hinein und dachte an die Zeiten zurück, in denen er sich als kleiner Junge gelangweilt und das gemacht hatte. Wahrscheinlich hatte er damit sämtliche Fische verscheucht, die Onkel Art fangen wollte. Sein Onkel hatte sich nie beschwert.
    Danach hatte er sich die Hände abgewischt und war dem Pfad den steilen Hügel hinauf zum Auto gefolgt, und dabei fiel ihm auf, wie mager sein Vater in den zurückliegenden Wochen geworden und wie sonnenverbrannt und faltig sein Hals geworden war. Mit seinen frischen weißen Stoppeln, fand Duane, sah der Alte schließlich endgültig alt aus.
    Onkel Arts Haus hatte den Geruch seines Bewohners verloren und roch nur noch stickig und unbewohnt.
    Während der Alte die Schubladen und den Akten-schrank durchsuchte, überprüfte Duane unauffällig alte Notizblöcke und kramte im Papierkorb. Onkel Art hatte, wie Duane auch, fast zwanghaft Notizen gemacht, Merkzettel geschrieben und Aufzeichnungen geführt.
    Bingo! Der zerknüllte Zettel lag im Papierkorb unter einer Zigarrenhülle und anderem Plunder. Wahrscheinlich hatte er ihn am Samstagabend geschrieben, in der Nacht vor dem Unfall.
    1. Die verdammte Borgia-Glocke oder Säule der Offenbarung hat doch überlebt. Wird im Kapitel über die Medici im Buch des Gesetzes erwähnt.
    2. Sechzig Jahre, sechs Monate, sechs Tage. Angenommen, das Absurde und Unmögliche ist Wirklichkeit geworden, die Ereignisse, von denen Duane spricht, finden statt, weil das Ding nach all den Jahrhunderten >akti-viert< worden ist, dann müßte das Opfer um die Jahrhundertwende gemacht worden sein. Nach Silvester 1900. In der Stadt herumfragen. Leute sprechen, die sich erinnern. Nicht mit Duane sprechen, bis ich ein paar Antworten gefunden habe.
    3. Crowley sagt, die Glocke, die Bildsäule, benützt Menschen. Und ruft >Agenten der Dunklen Welt<, was das auch immer heißen mag. Berichte über >Unheimliches auf den Straßen Roms< zur Zeit des Borgia-Papstes und im Kapitel über die Medici nachlesen.
    4. Mit Ashley-Montague Verbindung aufnehmen. Er muß reden.
    Duane legte den Zettel zusammen, steckte ihn in die Brusttasche seines Flanellhemds und ging auf die Veranda. Das Gras des Rasens wuchs ungehindert. Insekten hüpften. Irgendwo entlang der Baumgrenze gaben Zikaden ihr lautes Schrillen von sich, das Duane ein wenig benommen machte. Er setzte sich auf den Metallstuhl, legte die Füße aufs Geländer, starrte ins Leere und dachte nach. Erst als der Alte herauskam und unter der Verandatür stehenblieb, wurde Duane klar, wie er auf diesem Stuhl, in der Haltung aussehen... wem er ähnlich sehen mußte.
    Der Alte hatte die Dokumente gefunden. Sie sperrten das Haus sorgfältig ab, weil sie wußten, es konnte Wochen, wenn nicht gar Monate dauern, bis sie wiederkamen und es vor der Auktion saubermachten.
    Duane sah nicht zurück, als sie den Weg entlangholperten.
    Duane entschied sich für Mrs. Moon.
    Die Mutter der Bibliothekarin war über achtzig, hatte ihr ganzes Leben in Elm Haven verbracht und gegenüber von Old Central an der südöstlichen Ecke von Depot Street und Second gewohnt, seit sie eine junge Frau war. Duane kannte sie nur flüchtig, und das auch nur, weil er sie ab und zu mit Miß Moon Spazierengehen gesehen hatte, wenn er in der Stadt gewesen war.
    Miß Moon kannte er gut. Duane war vier gewesen, als Onkel Art ihn mit in die Stadt genommen hatte, damit er einen Leihausweis bekam.
    Miß Moon hatte die Stirn gerunzelt, den Kopf geschüttelt und den pummeligen kleinen Jungen vor ihrem Schreibtisch gemustert. »Wir haben sehr wenig Bilderbücher, Mr. McBride. Uns ist es lieber, wenn die Eltern von... äh... Kindern im Vorlesealter ihre eigenen Karten benützen, wenn sie Bücher für die Kleinen ausleihen.«
    Onkel Art hatte nichts gesagt. Er hatte den erstbesten Band aus dem nächsten Regal gezogen und dem vierjährigen Duane gegeben. »Lies!« hatte er gesagt.
    »Erstes Kapitel... Ich werde geboren«, las Duane. »Ob ich der Held meines eigenen Lebens werde oder ob jemand anders diese Stelle ausfüllen soll, werden diese Seiten zeigen. Um mit dem Anfang meines Lebens zu beginnen, berichte ich, daß ich, wie man mir gesagt hat und wie ich glaube, an einem Freitag um zwölf Uhr nachts geboren worden bin. Es fiel auf,

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