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Sommer der Nacht

Titel: Sommer der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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daß zu gleicher Zeit die Uhr zu schlagen...«
    »Gut«, hatte Onkel Art gesagt und das Buch wieder ins Regal gestellt.
    Miß Moon hatte die Stirn gerunzelt und mit der Kette ihrer Brille gespielt, aber sie hatte Duane McBride einen Leihausweis ausgestellt. Dieser Ausweis war jahrelang Duanes kostbarster Besitz gewesen, wenngleich Miß Moon ihn mit einer Frostigkeit behandelte, die an Beleidigung grenzte. Schließlich beschränkte sie ihre Rolle darauf, die Anzahl der Bücher einzuschränken, die der übergewichtige Junge ausleihen durfte, und streng mit ihm zu schimpfen, wenn er etwas verspätet zurückbrachte -nicht, wie sich herausstellte, weil er säumig gelesen hatte, nein, er verschlang die Bücherstapel immer in den ersten paar Tagen nach der Rückkehr auf die Farm, mußte dann aber wochenlang warten, bis der Alte wieder einmal die Zeit fand, ihn in die Stadt zu fahren.
    In der zweiten Klasse hatte Duane die Nancy Drew-Kriminalromane entdeckt und die Abenteuer der jungen Detektivin abwechselnd mit C. S. Forester und allem von Robert Louis Stevenson gelesen, und da hatte Miß Moon ihn darauf hingewiesen, daß Nancy Drew Mädchenbücher waren - den Ausdruck hatte sie gebraucht - und vielsagend gefragt, ob Duane denn eine Schwester hätte.
    Duane hatte sie angegrinst, seine Brille zurechtgerückt, »Nö« gesagt und sein Limit von fünf Büchern, alle über Nancy Drew, mit nach Hause genommen. Als er diese Serie zu Ende gelesen hatte, hatte er Edgar Rice Burroughs entdeckt und einen berauschten Sommer die Steppen von Barsoom und die Dschungel der Venus durchstreift, am enthusiastischsten allerdings hatte er sich von der >Mittel-terrasse< von Lord Greystokes Dschungel geschwungen. Duane war nicht sicher, was diese Mittelterrasse war, aber er hatte versucht, sie auf den niederen Eichen beim Bach zu simulieren, wo Witt mit schief gelegtem Kopf und verwirrtem Blick mit angesehen hatte, wie sich Duane von Ast zu Ast schwang und sein Vesper auf den Zweigen einnahm.
    Im Sommer darauf las Duane Jane Austen, und diesmal sagte Miß Moon nichts von wegen Mädchenbüchern.
    Duane machte sich in die Stadt auf, nachdem er seine morgendlichen Aufgaben erledigt hatte. Der Alte baute jedes Jahr weniger Land an und verpachtete das meiste an Mrs. Johnson, daher hatte Duane nicht allzu viel zu tun. Duane kümmerte sich um das Vieh, vergewisserte sich, daß die Kühe auf der hinteren Wiese Wasser hatten, aber da sie nicht im Stall waren, machten sie kaum Mühe. Das verabscheute Ausmisten war schon im Mai erledigt worden, daher mußte Duane sich darum nicht kümmern. An diesem Morgen hatte er den sechsscharigen Pflug repariert; der Hydrauliklift senkte sich zu schnell, daher hatte Duane den tragbaren Hydraulikzylinder des Lifts geölt und neu eingestellt und den Halterahmen nachgezogen. Die ganze Zeit, während Duane am Pflug gearbeitet hatte, ragte der große Mähdrescher mit Maisenthülser in der Scheune über ihm auf. Der Alte hatte das Ding in den Wartungsbereich gefahren, damit er sich an der Ernteeinheit zu schaffen machen konnte; er versuchte immer, alles zu verbessern, war ständig am Umbauen, Anbauen und Ausbauen, bis die Landmaschinen kaum noch Ähnlichkeit mit den fabrikneuen Modellen hatten. Beim Maisdrescher, bemerkte Duane, hatte der Alte etwas mit dem Dreschkopf vor. Die Schutzbleche waren an allen acht Reihen der Einheit entfernt, Duane konnte hineinsehen und erblickte den glänzenden Stahl von Schneidemessern, Förderbändern und Antriebsketten.
    Die meisten Farmer in der Gegend besaßen Maisdrescher, die man am Traktor befestigen konnte, oder welche, die selbst fuhren, aber der Alte hatte einen alten, ausgewachsenen Mähdrescher gekauft und den Maisernter für acht Reihen daran angeschlossen. In den guten Jahren hatte man damit schnell arbeiten können, aber es war eine Menge Wartungsarbeit zu investieren, damit der alte Mähdrescher lief, und die >Verbesserung< von Drescheinheit, Enthülser und Reiniger kostete ebenfalls Zeit.
    Manchmal glaubte Duane, der Alte blieb nur deshalb bei der Landwirtschaft, damit er mit den Maschinen herumspielen konnte.
    Als Duane am Vormittag mit dem Pflug fertig war, hatte er den Mähdrescher angesehen, der hinter ihm aufragte und dessen Schnittklingen ihm wie Schwerter im Lichtkreis von oben entgegenragten, und er hatte beschlossen, einige der offensichtlicheren Veränderungen selbst vorzunehmen, um seinen Vater zu überraschen. Aber dann hatte er beschlossen, dem Alten den Spaß

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