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Sommer der Nacht

Titel: Sommer der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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ebensogut in einer fremden Sprache sein können, so wenig verstand Dale. Es wurde davon gesprochen, daß der Gott über Legionen von Untoten herrschte, von Prophezeiungen und Strafgerichten, aber nichts ergab wirklich einen Sinn.
    Der Himmel zwischen den Blättern blieb blau; es kam kein unerwarteter Sturm auf, der sie gezwungen hätte, zu Onkel Henry zurückzukehren. Das war das einzige, wofür sie keine Lösung wußten, als sie den Ausflug geplant hatten - einzig und allein Rückzug schien die logische Reaktion darauf zu sein. Bei einem Gewitter wäre die Sicht zu schlecht gewesen, das Gehör zu sehr beeinträchtigt.
    Sie aßen früh; zuerst verschlangen sie sämtliche Süßigkeiten, die sie dabei hatten, dann machten sie das Feuer an und grillten die Würstchen, die sie eingepackt hatten. Es dauerte eine Weile, bis sie die richtigen Stöcke gefunden hatten, um die Würstchen aufzuspießen, und deren Enden richtig zuzuspitzen dauerte noch länger. Jedesmal, wenn Lawrence sagte, daß er sich auf die Würstchen freute, fing Harlen an zu kichern.
    »Was ist denn?« sagte Dale schließlich. »Wir wollen auch lachen.«
    Harlen fing mit einer Erklärung an, sagte etwas über Cordie Cooke, dann schüttelte er den Kopf. »Vergeßt es!«
    Um sieben war es immer noch heiß, und Lawrence wollte zum Steinbruch und in den See springen. Die anderen stimmten dagegen und erinnerten ihn geduldig an den Plan. Harlen wollte Marshmallows über dem Feuer rösten, als es halb acht war, aber die anderen bestanden darauf, daß sie bis Einbruch der Dunkelheit warteten. So entsprach es dem Protokoll. Kevin war zappelig und wollte sich um acht in den Schlafsack verkriechen, aber da waren gerade erst die Abendschatten auf die Wiese gefallen und noch soviel Helligkeit, daß man gut sehen konnte, selbst im Wald.
    Aber zwanzig Minuten danach wurde es in den niedriger gelegenen Stellen nördlich von ihnen kühl und dunkel. Kurz danach erschienen Glühwürmchen an den dunklen Stellen zwischen den Bäumen und blitzten auf wie ferne Salven stummen Gewehrfeuers. Etwa zu dem Zeitpunkt setzte auch der Chor der Ochsenfrösche am Steinbruch und der Laubfrösche im sumpfigen Gelände am Fuß des Hügels ein und erfüllte die herannahende Dämmerung mit Lärm. Die Grillen und Zikaden im Wald hinter den Jungs schrillten laut.
    Viertel vor neun war der Himmel fahl geworden und bald darauf so dunkel, daß man Sterne erkennen konnte, und ab einem gewissen Punkt war es schwer, die Massen dunkler Blätter vom dunklen Himmel zu unterscheiden. Der Wald wurde schwarz. Der letzte Verkehrslärm von der eine halbe Meile westlich gelegenen County Six hörte auf, als die letzten Arbeiter Richtung Norden nach Hause gefahren waren und die Trinker auf dem Weg zum Black Tree oder in die Stadt nach Süden. Wenn sie sich anstrengten, konnten die Jungs eine Zeitlang das metallische Quietschen der Klappen an den automatischen Futtertrögen in Onkel Henrys Schweinestall hören, aber es war ein ferner, schwacher Laut, der mit dem letzten Rest Licht verschwand.
    Schließlich war es dunkel. Bei aller sommerlichen Trägheit schien sich die Nacht urplötzlich um sie herum herniedergesenkt zu haben.
    Dale legte kleine Zweige ins Feuer. Fünkchen stoben in die Nacht und schwebten von der Wiese zu den Sternen. Die Jungs rückten dichter zusammen, ihre Gesichter wurden von unten beleuchtet. Sie versuchten zu singen, aber es fehlte ihnen an der Lust dazu. Harlen schlug vor, sie sollten Gespenstergeschichten erzählen, aber die anderen brachten ihn stirnrunzelnd zum Schweigen.
    Das Bächlein machte leise gluckernde Geräusche. Man konnte fühlen, wie Wesen in der Dunkelheit des Waldes erwachten, um zu jagen, mußte an viele Augen da draußen denken, die aufgeschlagen wurden, an Pupillen, deren vertikale Iris sich weitete und das bißchen Sternenlicht zunutze machte, um ihre Beute auszuspähen.
    Unter dem Chor der Insekten und dem fernen, krächzenden Quaken hundert verschiedener Froscharten konnte man sich das Tapsen von Raubtieren vorstellen, die auf leisen Pfoten durch die Nacht schlichen und frischem Fleisch nachstellten.
    Die Jungs zogen Sweatshirts und alte Pullover an, warfen mehr Holz aufs Feuer und rückten noch näher zusammen, bis sich ihre Schultern fast berührten. Das Feuer knisterte und knackte und verwandelte ihre Gesichter in Dämonenfratzen, bis das orangefarbene Leuchten das einzige Licht in ihrer Welt war.
    Mikes Hauptproblem bestand darin, wach zu bleiben. Er war den

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