Sommer der Nacht
größten Teil der vergangenen Nacht auf gewesen und hatte mit einer Flasche Weihwasser in der einen und der in ein Taschentuch gewickelten heiligen Hostie in der anderen Hand auf dem alten Sessel in Memos Zimmer gesessen. Seine Mutter kam gegen drei Uhr nachts nach Memo sehen und schickte ihn nach oben, wobei sie ihn schimpfte, weil er so albern war. Mike hatte die Hostie auf dem Fenstersims gelassen.
Als er seine Zeitungen ausgetragen hatte, hatte er nach Pater Cavanaugh gesehen; der Priester war fort und Mrs. McCafferty war außer sich vor Sorge. Die Ärzte hatten beschlossen, Pater C. ins St. Francis-Krankenhaus in Peoria zu bringen, aber als der Krankenwagen am Dienstag abend eintraf, war der Priester verschwunden. Mrs. McCafferty schwor, daß sie die ganze Zeit unten in der Küche gearbeitet hatte und ihn gehört hätte, wenn er die Treppe heruntergekommen wäre ... aber die Ärzte hatten den Kopf geschüttelt und gesagt, der kranke Mann habe ja schließlich nicht wegfliegen können. Während Mike und die anderen Jungs im Baumhaus ihre Notizen verglichen und versucht hatten, einen Teil des geheimnisvollen Buchs zu entziffern, das Dale bei Mr. Ashley-Montague gestohlen hatte, hatten Mrs. McC. und einige andere Mitglieder der Gemeinde die Stadt abgesucht. Keine Spur von Pater Cavanaugh.
»Ich hätte auf den Rosenkranz geschworen, daß der arme Pater zu krank war, auch nur den Kopf zu heben, geschweige denn da-vonzuspazieren«, hatte Mrs. McCafferty zu Mike gesagt und sich dabei mit der Schürze die Augen gewischt.
»Vielleicht ist er nach Hause gegangen«, sagte Mike, der es selbst nicht glaubte.
»Nach Hause? Nach Chicago?« Die Haushälterin nagte auf der Unterlippe, während sie darüber nachdachte. »Aber wie? Das Auto der Diözese steht noch in der Garage, und der Bus Galesburg-Chicago kommt erst morgen früh durch.«
Mike hatte die Achseln gezuckt, ihr versprochen, sie und Dr. Staffney sofort zu informieren, wenn er etwas über den Verbleib von Pater C. erfahren sollte, und war in die Sakristei gegangen, um dem Aushilfspriester von Oak Hill bei der Messe zu helfen. Den ganzen Gottesdienst über - den der vertretende Priester mit gelangweilter, leiernder Stimme hinter sich brachte und während der be-sorgte Meßknabe abwesend und zerstreut antwortete -hatte Mike an die braunen Maden denken müssen, die sich windend ins Fleisch von Pater C. eingegraben hatten. Was ist, wenn er jetzt einer von ihnen ist?
Der Gedanke machte Mike krank.
Er hatte seine Mutter schwören lassen, daß sie in der Nacht nach Memo sehen würde, dann hatte er seine Chancen verbessert, indem er Boden und Fenster mit Weihwasser besprengt und Krümel der zerdrückten Hostie in die Ecken des Fliegengitters und unter Memos Bett gestreut hatte. Daß er Memo in dieser Nacht allein lassen mußte, war der Teil des Plans, der ihm nicht gefiel.
Dann hatte Mike seinen Drugstore-Rucksack gepackt und war gegangen, bevor die anderen Jungs aufgebrochen waren. Die Nervosität auf der Fahrt zur County Six hatte seinen Kopf ein bißchen klarer gemacht, aber die schlaflosen Nächte machten ihm immer noch zu schaffen und bewirkten ein leises Summen in seinen Ohren.
Mike war nicht ganz bis zur Farm von Onkel Henry gefahren, sondern hatte das Viehgatter unmittelbar nach dem Friedhof Cal-vary aufgemacht, war auf den ausgefahrenen Reifenspuren dort am Zaun entlang geradelt, hatte das Fahrrad in einem Fichtenhain direkt über der Kluft versteckt, war zurückgeschlichen und hatte gewartet, bis Dale und die anderen vorbeikamen. Sie waren fast anderthalb Stunden später erschienen, und Mike hatte ein erleichtertes Grunzen ausgestoßen: Die Möglichkeit, daß der Abdeckereilaster sie attackierte, hatten sie nicht einkalkulieren können; für diesen Fall hatten sie lediglich ein neues Treffen um Mittag beim Wasserturm vereinbart.
Während die Jungs auf der Farm von Onkel Henry verweilten, hatte sich Mike im Wald aufgehalten und durch das Fernglas geblickt, das er sich von seinem Vater geliehen hatte. Die linke Linse des Glases, das sein Dad zur Rennbahn in Chicago mitgenommen hatte, funktionierte nicht besonders gut - sie war leicht milchig -, aber immerhin so gut, daß Mike seine Freunde sitzen und Tante Lena Limonade trinken sehen konnte, während er selbst unruhig und zappelig im Gebüsch lag.
Später folgte er ihnen tiefer in den Wald, blieb aber stets mindestens fünfzehn Meter entfernt und bewegte sich parallel zu ihrem Weg - es war gut, daß er
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