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Sommer der Nacht

Titel: Sommer der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Kenntnis gesetzt worden, aber Mrs. McCafferty sagte ihm, alle schienen zu glauben, Pater C. habe angesichts seiner Krankheit den Mut verloren und sei nach Chicago zurückgekehrt. Die Vorstellung, der junge Priester könnte krank und fiebrig irgendwo unterwegs in einer Bushaltestelle sitzen, brachte sie wieder zum Weinen.
    Mike versicherte ihr, daß Pater Cavanaugh nicht nach Hause gegangen war.
    Er sah kurz bei Harlen vorbei und lieh sich eine Flasche Wein -Harlen sagte, seine Mutter würde sie bestimmt nicht vermissen, es war Ripple, eine >Elchpisse<, die ihr ein Cousin geschenkt hatte -, und Mike steckte sie in eine braune Papiertüte und fuhr mit dem Rad zum Bandstand Park. Er glaubte eigentlich nicht, daß er noch nützliche Informationen aus Mink herausbekommen würde, aber er fand, daß er ihm noch etwas schuldete. Außerdem beruhigte ihn, daß jemand die Ereignisse tatsächlich gesehen hatte, die heute einen Schatten über Mikes Leben warfen.
    Mink war fort. Seine Flaschen und Zeitungen, sogar die Fetzen seines weiten Mantels - den er Sommer wie Winter trug - waren auf dem Boden im Kriechraum unter dem Pavillon verstreut, als hätte ein örtlich begrenzter Wirbelsturm zugeschlagen. Fünf Löcher -jedes mit rotem Rand und vollkommen rund, jedes mit einem Durchmesser von vierzig Zentimetern - waren über den Boden verteilt, als hätte jemand nach Öl gebohrt.
    Du rechnest schon wieder mit dem Schlimmsten, sagte sich Mike. Mink ist wahrscheinlich unterwegs und führt eine Gelegenheitsarbeit aus oder trinkt irgendwo mit seinen Kumpanen.
    Aber Mike war sicher, daß es nicht so war. Mike stellte sich die gräßlichen Augenblicke vor - in der Nacht? -, als Mink aus seinen alkoholisierten Träumen erwacht war, die Erde sich auftat und der Gestank von Verwesung und etwas Schlimmeres in sein Versteck drangen, das ihm sieben Jahrzehnte lang Sicherheit gegeben hatte. Mike stellte sich vor, wie der alte Mann im Dunkeln herumhüpfte, während etwas Großes und Weißes und Gräßliches durch die Erdoberfläche brach wie Mikes Aal durch das Wasser - mit langen, schnappenden Kiefern und blinden, suchenden Augen.
    Das letzte Loch war keinen Meter vom Eingang zum Kriechraum entfernt. Mike sah die roten, an rohes Fleisch und Knorpel und Sehnen erinnerenden roten Wände der Löcher. Der Raum unter dem Pavillon roch noch etwas nach Mink, aber mehr nach dem Leichengeruch der Löcher.
    Mike warf die Flasche hinein - sie landete aufrecht bei den Fetzen von Minks Mantel wie ein mahnender Grabstein -, dann machte er sich auf den Weg, radelte wie von Sinnen über die Main Street und so nahe an einem Lastwagen vorbei, daß der Fahrer erbost hupte, schlitterte um die Second Avenue und an den Sträuchern von Dr. Vis-kes' Haus vorbei, und dann Pachtung Old Central und seinem Zuhause.
    Er wollte nicht zur Geburtstagsparty von Michelle Staffney gehen - nach den vergangenen Tagen kam ihm allein der Gedanke absurd vor -, aber Dale kam vorbei und meinte, es wäre nicht schlecht, wenn sie an diesem Abend zusammenblieben.
    »Die Party ist um zehn zu Ende, wenn sie das Feuerwerk veranstalten«, sagte Dale. »Wir können früher nach Hause gehen, wenn du willst.«
    Mike nickte. Seine Mutter und seine Schwestern würden mindestens bis zehn auf sein - Peg mußte heute abend auf Memo aufpassen -, und er glaubte nicht, daß so kurz nach Sonnenuntergang etwas passieren würde. Bisher war nie etwas so früh passiert. Ob es sich um den Soldaten oder etwas da draußen handelte, sie zogen die Mitternacht vor.
    »Warum kommst du nicht«, sagte Dale. »Sie werden jede Menge Lichter anhaben, und es sind Leute da ... wir brauchen den Spaß.«
    »Was ist mit Lawrence?« fragte Mike.
    »Er möchte nicht zur dummen Party von einem Mädchen gehen - außerdem ist er nicht eingeladen worden -, aber Mom läßt ihn aufbleiben und spielt Monopoly mit ihm, bis ich nach Hause komme.«
    »Wir können unsere Schußwaffen schlecht mit zu der Party nehmen«, sagte Mike und merkte selbst durch den Nebel der Müdigkeit, wie bescheuert sich das anhörte.
    Dale lächelte. »Harlen nimmt seine mit. Wir leihen sie, wenn wir sie brauchen. Wir müssen bis Sonntagmorgen noch was anderes machen als warten.«
    Mike grunzte.
    »Also, kommst du?« sagte Dale.
    »Wir werden sehen.«
    Michelle Staffneys Party begann um neunzehn Uhr, aber als es neunzig Minuten später dämmerte, wurden immer noch Kinder von ihren Eltern in Kombis und Pritschenwagen gebracht. Das große alte Haus und der

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