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Sommer der Nacht

Titel: Sommer der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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weißen Kugeln. Lawrence war auf seinem Stuhl zu sich gekommen und zog und zerrte an seinen Fesseln, während die Lehrerin näherkam.
    Dr. Roon packte Dale am Hemdkragen und schüttelte ihn. »Verflucht«, sagte der Mann und schnaufte seinen stinkenden Atem in Dales Gesicht. Er schleuderte ihn Kopf voraus durch die Tür und folgte ihm hinaus.
    Die schwarze Gestalt von Karl Van Syke beugte sich über Mike.
    Jim Harlen war zur ersten Bankreihe gerannt und wollte seinen Freunden zu Hilfe eilen, aber wegen der dicken Seilschlingen, die ihm noch über die Schulter hingen, verlor er das Gleichgewicht für einen Augenblick, stürzte und hielt sich an einem dünnen Strang fest, den er aber lediglich mit sich herunterriß, als er zwischen den Bankreihen in die Pilzwucherungen fiel. Das Netz fühlte sich warm an und tropfte.
    Harlen schrie trotzig, als sich der Soldat über die Bank zu ihm herunterbeugte.
    Draußen auf dem Treppenabsatz erhaschte Dale einen letzten Blick auf seinen Bruder, der versuchte, die Stränge abzustreifen, die ihn an den Stuhl fesselten, dann war Dr. Roon wieder über ihm, packte ihn am Hals, hob ihn hoch und trug ihn Richtung Geländer.
    Dale spürte, wie seine Fersen gegen das Geländer schlugen, als Roon ihn höher hob, über den acht Meter tiefen Abgrund hielt und die Finger tief ins Fleisch von Dales Hals grub. Dale trat um sich und krallte und schlug nach dem Gesicht des Mannes, aber Roon schien keine Schmerzen mehr empfinden zu können. Der Mann blinzelte Blut aus den Augen und verdoppelte den Druck um Dales Hals. Dale spürte Dunkelheit über sich kommen, sein Gesichtsfeld wurde zu einem schmalen Tunnel, und dann spürte er, wie das gesamte Gebäude erbebte und Roon mit ihm rückwärts taumelte, als der gesamte Treppenabsatz vibrierte wie ein Floß auf rauher See, und dann rollten sie beide über die alten Dielen, während Benzingestank die Luft erfüllte.
    Obwohl er benommen war und eine Gehirnerschütterung erlitten hatte, versuchte Kevin wissenschaftlich vorzugehen, als er auf das Wrack zustolperte. Ein Gegenstand seiner Verwunderung war, weshalb nach dem unglaublichen Lärm der Kollision zwischen Tanklaster und Schule keine riesige Menschenmenge zusammengeströmt war. Kevin sah blinzelnd zu den zuckenden Blitzen hinauf, lauschte den ununterbrochenen Donnerschlägen und nickte weise. Ah-haa.
    Er machte sich wieder daran, wissenschaftlich zu denken. Er brauchte eine Flamme, einen Funken... womit konnte man Benzin anzünden? Mit dem Feuerzeug seines Dad, aber das hatte er irgendwo verloren. Feuerstein und Stahl würden ihm einen Funken liefern. Kevin klopfte dumpf seine Taschen ab, fand aber weder Feuerstein noch Stahl. Und wenn ich einen Stein gegen den Stahltank schlage, bis ich einen Funken bekomme? Etwas an diesem Plan schien nicht richtig zu sein. Kevin speicherte ihn als Ersatzmöglichkeit ab.
    Er stolperte noch zwanzig Schritte näher, dann putschten seine bloßen Füße durch Benzinpfützen. Bloße Füße. Er sah nachdenklich an sich hinab. Irgendwie hatte er in dem Tohuwabohu die Schuhe verloren. Das Benzin war kalt an seinen Füßen und brannte, wo er offene Wunden hatte. Sein rechtes Handgelenk fing an zu schwellen, die Hand hing schlaff und nicht richtig darunter.
    Sei wissenschaftlich, sagte sich Kevin Grumbacher. Er stolperte ein paar Schritte zurück und setzte sich auf ein vergleichsweise trockenes Stück des Gehwegs, um darüber nachzudenken. Er brauchte einen Funken oder eine Flamme. Wie konnte er die bekommen?
    Er sah zum Himmel hinauf, aber die Blitze griffen das Stichwort nicht auf und schlugen gerade in diesem Augenblick nicht in den Tanker ein, obwohl die gezackten Lichtstrahlen feurig genug aussahen. Vielleicht später.
    Wie stand es mit Elektrizität? Er konnte in die Kabine zurückkriechen, den Zündschlüssel im Schloß drehen und abwarten, ob die Batterie einen Funken gab. Dem Geruch nach mußte ein Funken ausreichen.
    Nein, das war auch nicht gut. Obwohl Kevin fast zwanzig Meter vom Schauplatz entfernt saß, konnte er die unter dem Gewicht des Tanks selbst eingedrückte und zerquetschte Kabine deutlich sehen. Und das Fahrerhaus war obendrein wahrscheinlich voll von dem zerquetschten Neunaugending.
    Kevin runzelte die Stirn. Vielleicht würde ihm die Lösung einfallen, wenn er sich ein paar Minuten hinlegte und ausruhte. Der Gehweg sah sehr weich und einladend aus.
    Er schob einen glänzenden Stein beiseite und legte den Kopf auf den Beton. Der Stein fühlte sich

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