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Sommer der Nacht

Titel: Sommer der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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zischend in die lodernden Flammen.
    Mike zog seine Freunde zurück und benützte die Waffe als Hammer, um die verrotteten Bretter an der Seitenwand des Glockenturms wegzuschlagen.
    Cordie wachte noch rechtzeitig auf, um den bewußtlosen Grumbacher von der Feuersbrunst wegzuzerren. Seine Kleidung war an der Vorderseite rußig, die Augenbrauen versengt, und es sah aus, als hätte ihn die Explosion ein paar Meter zurückgeschleudert.
    Sie zog ihn zu den Ulmen und schlug ihm ins Gesicht, bis er zu sich kam. Sie sahen beide, wie die winzigen Gestalten auf das Dach der Schule kletterten.
    »Scheiße«, sagte Harlen, der den steilen Giebel zum Rand des Daches hinunterrutschte, »ich glaube, ich habe diese Szene in Panik um King Kong gesehen.«
    Sie befanden sich am südlichen Rand des Schulhausdachs und nutzten jeden Halt aus, den sie finden konnten. Es waren mindestens vier Stockwerke zum festgestampften Kies und den betonierten Wegen des Spielplatzes direkt unter ihnen.
    »Du solltest es mal so sehen«, keuchte Dale, der sich an Lawrence festklammerte, während Lawrence sich an einem faustgroßen Loch im Dach festhielt. »Wenigstens haben wir jetzt Verwendung für deine Seile.«
    Harlen hatte das erste von zwei acht Meter langen Seilen aufgerollt. Es war teilweise verkohlt und sah alles andere als sicher aus. »Klar«, sagte er. »Aber wie?«
    »Uh-oh«, sagte Mike. Er hatte die Ecke eines Kamins umklammert und sah in die Richtung, aus der sie über das Dach gekommen waren.
    Hinter ihnen zwängte sich eine dunkle Gestalt durch die rauchenden Dielen des Glockenturms.
    Dale konnte lediglich eine schwarze Silhouette erkennen. »Ist es der Soldat? Van Syke?«
    »Glaube ich nicht«, sagte Mike. »Es muß Roon sein. Ich glaube nicht, daß die anderen Wesen sich bewegen oder handeln können, nachdem ihr Meister tot ist. Sie waren alle nur Teile dieses größeren Wesens.« Die Jungs sahen zu, wie die dunkle Gestalt hinter einem Giebel verschwand, während sie rasch auf sie zukam. Mike drehte sich zu Harlen um und sagte leise: »Wenn du dieses Seil noch benützen willst, solltest du dich besser beeilen.«
    Harlen hatte einen beweglichen Knoten gebunden und machte jetzt ein Lasso. »Ich könnte es um den Ast da schlingen, dann könnten wir uns rüberschwingen.«
    Dale und Lawrence und Mike sahen zu den hohen Ästen der Ulme.
    Diese waren fast zehn Meter entfernt und viel zu dünn, als daß sie einen der Jungs getragen hätten.
    Hinter ihnen tauchte auf dem zentralen Dachfirst die Gestalt wieder auf und folgte derselben Route zum Südgiebel, die sie eingeschlagen hatten. Rauch quoll unter den alten Ziegeln hervor und hüllte die Gestalt ein, aber Dale glaubte, daß er den dunklen Anzug und die blutigen Gesichtszüge von Dr. Roon erkennen konnte.
    Die Hitze vom brennenden Nordende des Gebäudes wurde allmählich unerträglich. Die Jungs mußten die Gesichter abwenden, als der gesamte Glockenturm in Flammen aufging.
    »He«, sagte Lawrence. »Seht mal!«
    Zwei oder drei Meilen entfernt hatte sich, von zuckenden Blitzen erhellt, ein Tornado aus den schwarzen Wolken herabgesenkt, der mit steigendem und fallendem Trichter aus Südwesten herangewirbelt kam. Eine Sekunde, die sich ewig zu dehnen schien, sahen die Jungs nur hin. Dale stellte fest, daß er den Wirbelsturm insgeheim hierher wünschte, damit er mit einem letzten Mahlstrom der Zerstörung allem hier ein Ende machte.
    Der Tornado stieg in die Höhe, stieß hinter Bäumen und Feldern weit im Osten wieder herunter, setzte irgendwo jenseits der Stadt auf und sauste Richtung Norden in die Dunkelheit davon. Der Wind schwoll plötzlich an, als die Gewitterfront vorüberzog, überschüttete die Jungs mit Zweigen und Blättern und drohte, sie vom Dachrand zu reißen.
    »Gib her!« sagte Mike zu Harlen. Er nahm das Seil, band den Knoten neu, schlang es um den anderthalb Meter hohen Kamin und glitt zum Rand, wo er die beiden Seile mit raschen Bewegungen zu einem sicheren Knoten zusammenband. Als er fertig war, zog er probeweise an dem Seil, warf das Ende über den Dachrand und sagte: »Du zuerst!« zu Dale.
    Dale zögerte nicht. Er schwang sich auf den Rand der Regenrinne, sah lediglich Luft unter sich, klammerte die Beine um das Seil und ließ sich hinunter. Beim Überhang schwang er leicht hin und her und spürte, wie dünn das Seil war.
    Harlen half mit, Lawrence an das Seil zu bringen, dann kletterten die beiden Brüder zusammen hinunter, wobei Dale als Bremse für den kleineren

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