Sommer der Nacht
Geruch frisch gemähten Grases mit sich trug, als Mike vom Rasen des Vorgartens rief.
»Eeawkee!«
Dale rollte sich vom Bett und hielt die hohlen Hände an den Mund. »Keeawee!« Er polterte die Treppe hinunter, platzte zur Eingangstür hinaus und sprang die vier Stufen von der Veranda hinunter.
Mike stand mit den Händen in den Taschen da. »Duane ist im Hühnerhaus.«
Mike hatte sein Rad nicht dabei, daher ließ auch Dale seines im Garten liegen. Beide Jungs eilten im Laufschritt die Depot Street hinab.
»Wo ist Lawrence?« fragte Mike beim Laufen. Er atmete nicht schwerer.
»Mit Mrs. Moon und Mom spazierengegangen.«
Mike nickte. Mrs. Moon war sechsundachtzig, ließ sich ihre abendlichen Spaziergänge aber nicht nehmen. Die meisten Leute aus der Nachbarschaft gingen abwechselnd mit ihr, wenn ihre Tochter - Miß Moon, die Bibliothekarin - nicht konnte.
Mikes Garten war eine Masse dunkler Schatten der gro-ßen Eichen und Ulmen entlang der Straße und der Apfelbäume hinter dem Haus. Glühwürmchen flogen an den Grenzen von Mr. O'-Rourkes zwanzig Ar großem Garten. Das Hühnerhaus glomm hell im Halbdunkel, seine Tür war ein dunkles Rechteck. Dale trat vor Mike ein und wartete, bis sich seine Augen angepaßt hatten.
Duane war da und stand neben dem leeren Radioschränkchen. Kevin lag auf dem Sofa, sein T-Shirt war verblüffend weiß. Dale sah sich nach Harlen um, dann erst fiel ihm ein, daß ihr Freund im Krankenhaus lag.
Dale beugte sich nach vorne, um wieder zu Atem zu kommen, während Mike sich mitten in den Raum stellte. »Gut, daß Lawrence nicht hier ist«, sagte Mike. »Was Duane zu sagen hat, ist echt unheimlich.«
»Alles klar?« fragte Dale den dicken Jungen. »Wie hast du denn in die Stadt kommen können?«
»Der Alte ist hergefahren, weil er ins Carl's wollte«, sagte Duane und rückte die Brille zurecht. Er wirkte noch zerstreuter als sonst. »Es ist wirklich passiert«, fügte er hinzu. »Der Abdeckereilaster hat wirklich versucht, mich heute umzubringen.« Seine Stimme klang leise und emotionslos wie immer, aber Dale glaubte einen leisen Unterton von Betroffenheit herauszuhören.
»Das mit Witt tut mir leid«, sagte Dale. »Lawrence auch.«
Duane nickte wieder.
»Erzählt ihnen von dem Soldaten«, sagte Mike.
Duane erzählte ihnen, wie sein Vater am Samstag, spät-nachts heimgefahren war - eigentlich früh am Sonntagmorgen -, und von dem jungen Mann, den er mitgenommen hatte.
Kevin legte die Hände hinter den Kopf. »Na und? Was soll daran unheimlich sein?«
Mike erzählte ihnen, wie ihm derselbe Mann am Abend zuvor die Jubilee College Road entlang gefolgt war. »War schon irgendwie gruslig«, schloß er. »Ich fing an zu laufen ... normalerweise laufe ich ziemlich schnell... aber dieser Typ blieb irgendwie dran, obwohl er nur ging. Schließlich war ich ihm fünfzehn bis zwanzig Meter voraus, aber als ich beim Wasserturm umdrehte, konnte ich ihn nicht mehr sehen.«
»War es dunkel?« fragte Dale.
»Etwa wie jetzt. Nicht so dunkel, daß ich ihn einen Augenblick vorher nicht hätte sehen können. Ich ging sogar bis zur Biegung der Straße zurück, aber die war die ganze Strecke, die ich gekommen war, einsam und verlassen.«
Kevin summte die Titelmusik einer neuen Fernsehserie mit dem Titel Twilight Zone.
Dale saß auf dem Sprungfedersessel unter dem schmalen Fenster. »Der Typ könnte sich in den Feldern versteckt haben. Zwischen den Mais gelegt.«
»Ja«, sagte Mike, »aber warum? Was hat er gemacht?« Er erzählte ihnen von dem Loch, das er im Geräteschuppen hinter dem Friedhof Calvary gesehen hatte.
Kevin richtete sich auf. »Herrgott, O'Rourke, du bist tatsächlich dort eingebrochen?«
»Klar. Aber darum geht es nicht.«
Kevin pfiff. »Es wird darum gehen, wenn Congden oder Barney es herausfinden.«
Mike steckte die Hände wieder in die Taschen. Er schien ebenso betroffen zu sein wie Duane, aber viel mehr durcheinander. »Barney ist in Ordnung, aber ich finde, Congden ist ein richtiger Schauerling. Ihr habt ihn ja heute mit Duanes Dad gesehen. Ich glaube, er hat wegen Van Syke gelogen.«
Dale beugte sich nach vorn. »Gelogen? Warum?«
»Weil er zu ihnen gehört«, sagte Mike. »Oder ihnen hilft.«
»Zu wem?« fragte Kevin.
Mike ging zur Tür und sah hinaus, ließ aber die Hände tief in den Taschen. Die Dunkelheit draußen war gerade eine Nuance heller als die Dunkelheit drinnen, so daß sich eine Silhouette vor der Tür abhob. »Zu ihnen«, sagte er. »Dr. Roon. Van
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