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Sommer der Nacht

Titel: Sommer der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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weiß nicht. Ich kann mich nicht erinnern. Warum hast du vor diesem hier Angst?«
    Lawrence antwortete nicht gleich. Er schien sich tiefer unter die Bettdecke zu kuscheln. »Etwas macht Geräusche darin«, flüsterte er nach einer Weile.
    »In diesem alten Haus gibt es Mäuse, Dummkopf. Du weißt doch, daß Mom und Dad immer Fallen aufstellen.« Dales Aufgabe war es, die Fallen zu leeren, was er verabscheute. Ab und zu konnte er selbst hier oben das Wuseln in den Wänden hören.
    »Es sind keine Mäuse.« Lawrence Stimme barg keinen Zweifel, obwohl er sich schläfrig anhörte.
    »Woher weißt du das?« Dale bekam unwillkürlich eine Gänsehaut nach den Worten seines Bruders. »Woher weißt du, daß es keine Mäuse sind? Was soll es denn sonst sein, eine Art Ungeheuer?«
    »Keine Mäuse«, flüsterte Lawrence kurz vor dem Einschlafen. »Dasselbe, was ab und zu auch unter dem Bett ist.«
    »Unter dem Bett ist nichts«, sagte Dale heftig, der der Unterhaltung überdrüssig wurde. »Außer Staubflocken.«
    Anstatt die Unterhaltung fortzusetzen, streckte Lawrence die Hand über den schmalen Spalt zwischen den Betten aus. »Bitte?« Seine Stimme klang verträumt und schläfrig nuschelnd. Lawrence Ärmel reichte ihm nur noch bis halb über den Unterarm, weil ihm sein Lieblingspyjama >Roy Rogers< zu klein war, er sich aber weigerte, einen anderen anzuziehen.
    Manchmal weigerte sich Dale, die Hand seines Bruders zu halten - schließlich waren sie dafür beide zu alt -, aber heute abend war es in Ordnung. Dale stellte fest, daß er den Trost selber brauchte.
    »Nacht«, flüsterte er, ohne mit einer Antwort zu rechnen. »Träum schön.«
    »Ich bin froh, daß du keine Angst hast«, flüsterte Lawrence zurück. Seine Stimme kam von einem anderen Ort und war vom Vorhang des Schlafs gedämpft.
    Dale hielt die Hand seines Bruders mit der linken und spürte, wie klein Lawrences Finger noch waren. Als er die Augen zumachte, sah er die Mündung von D. J. Cong-dens .22er, die auf sein Gesicht gerichtet war, zuckte schlagartig wieder hoch und bekam Herzklopfen.
    Dale wußte, es gab immer noch Dunkelheiten, vor denen er Angst hatte. Aber das waren echte Ängste, echte Bedrohungen. In den kommenden Wochen würde er ganz besonders darauf achten müssen, C. J. und Archie nicht in die Quere zu kommen.
    In diesem Augenblick wurde Dale klar, das Spiel, das sie gespielt hatten, die Suche nach Tubby Cooke und die Verfolgung von Roon und den anderen, war vorbei. Jedenfalls soweit es ihn betraf. Es war albern, und jemand konnte dabei zu Schaden kommen.
    Es gab keine Geheimnisse in Elm Haven - keine Abenteuer wie von Nancy Drew oder Joe Hardy mit Geheimtüren und schlauen Hinweisen -, nur eine Bande Arschlöcher wie C. J. und seinen Alten, die einem wahrscheinlich weh taten, wenn man ihnen in die Quere kam. Jim Harlen hatte sich wahrscheinlich wegen ihres dummen Herum-schleichens schon den Arm gebrochen und so weiter. Dale hatte am Nachmittag den Eindruck gehabt, als hätten Mike und Kevin die ganze Sache auch satt gehabt.
    Viel später seufzte Lawrence, drehte sich im Schlaf um, hielt Teddy noch umklammert, ließ aber Dales Hand nicht los. Dale drehte sich auf die rechte Seite und döste auch langsam ein. Vor den Fliegengittern der beiden Fenster rauschten die Blätter der alten Eiche, und Grillen spielten ihr unbeschwertes Konzert im Gras. Der letzte Abendschimmer war schon lange vom Fenster verschwunden, aber ein paar Glühwürmchen ließen ihre Signale noch vor der Schwärze der Äste erstrahlen.
    Bevor Dale eindöste, glaubte er seine Mutter zu hören, die unten in der Küche bügelte. Eine Zeitlang herrschte absolute Stille im Zimmer, abgesehen vom regelmäßigen Atem der beiden Jungs. Draußen gab eine Eule oder eine Taube gurrende Töne von sich. Dann kratzte und schabte etwas in der Nähe, im Schrank in der Ecke, hielt inne und kratzte dann ein letztes Mal.

13 
    Duane McBride hatte seinen Onkel Art überzeugt, daß Mittwoch ein prima Tag wäre, zur Universitätsbibliothek zu fahren - Art hatte im Lauf der Jahre fast sein ganzes Geld in Büchern angelegt, besuchte aber dennoch gerne ab und zu eine inständige Bibliothek< -, und so fuhren die beiden kurz nach acht Uhr morgens los.
    Was Onkel Art nicht für Bücher ausgegeben hatte, hatte er in sein Auto gesteckt - einen ein Jahr alten Cadillac -, und Duane konnte nur über die Pracht dieses Schlachtschiffes staunen. Es verfügte über jedes Zubehör, das der Detroiter Technologie bekannt

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