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Sommer in Ephesos

Sommer in Ephesos

Titel: Sommer in Ephesos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Schmidauer
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der Bub, der Bub, sagte er, Witz und Intelligenz.
    Witz, sagte die Mutter und lachte. Wenn er bei uns isst, kriegt er kaum den Mund auf, dem fehlt doch jeder Schliff. Aber wahrscheinlich braucht man das auch nicht, sie rümpfte die Nase, wenn man in der Erde herumgräbt und sich in die Einöde verzieht, monatelang. Wenn man nichts sieht als Steine, Steine und noch einmal Steine, da ist gesellschaftlicher Schliff wohl nicht vonnöten, da tut es der Neandertaler auch.
    Gesellschaftlicher Schliff, schnaubte der Vater. Er hat mehr Verstand im kleinen Finger als die meisten seiner Kommilitonen, die den Schliff haben, der dir so gefällt, zusammen im Hirn haben. Natürlich, der Vater wandte sich zu mir, natürlich muss er manches noch lernen, im Umgang mit anderen ist er tatsächlich ein wenig ungeschickt. Und er schießt schon auch manchmal über das Ziel hinaus, der Vater runzelte die Stirn, aber ist das nicht das Vorrecht der Jungen?
    Ein Sturkopf ist er, sagte der Vater ein anderes Mal, da waren sie gerade von Ephesos zurückgekommen. Als hätten sie eine andere Luft geatmet, eine andere Sonne gesehen, so sind sie immer zurückgekehrt. Wie ich Hubert beneidete, dass er mit dem Vater dort sein konnte. Und wie ich den Vater beneidete. Ein Sturkopf, sagte der Vater und sagte es so stolz, als wäre es das Beste, was man über einen sagen könnte, und das muss man auch sein in dem Fach, wenn man es zu etwas bringen will. Wer weiß, sagte er und zwinkerte mir zu, dermaleinst, es könnte schon sein, dass er mein Nachfolger wird, dermaleinst, niemand wäre mir lieber.
    Wie soll denn der, sagte die Mutter, ein Institut leiten, der ist doch ein Bubi, der kriegt den Mund nicht auf und zieht sich an wie ein Höhlenmensch.
    Als würdest du wissen, Eva, was das Institut braucht, sagte der Vater gereizt. Vielleicht versteht er es nicht so gut wie die Leute, mit denen du dich neuerdings abgibst, schöne Worte zu machen, Süßholzraspler, spuckte der Vater, Schmarotzer, aber er steht auf seinen eigenen Beinen, er verdient sich sein eigenes Geld, um sich sein Studium zu finanzieren, und er denkt seine eigenen Gedanken. Auch ist er, das sagte er wieder zu mir, weil er wusste, wie gerne ich es hörte, wenn er Hubert lobte, ein ausgezeichneter Schreiber und, was mir das Liebste ist, ein neugieriger Wissenschaftler. Der gibt keine Ruh, bevor er nicht weiß, was er wissen will, und das ist es, was wir brauchen, sagte er zu mir, Neugierde, nicht gesellschaftlichen Schliff. Der Schliff, das kommt schon noch mit der Zeit, man wächst sich in so etwas hinein. Der Bub brennt, sagte der Vater, manchmal denke ich, er ist ein Besessener, und als ob es das Beste wäre, was man über einen sagen könnte, strahlte mich der Vater glücklich an.
    Wenn Hubert mit uns Kaffee trank oder mit uns aß, machte meine Mutter ein belustigtes Gesicht. Bubi, flüsterte sie mir zu, Höhlenmensch, immer sah ich ängstlich zu Hubert hinüber, aber er schien es nicht zu hören.
    Frau Professor, sagte Hubert bei der Begrüßung zu meiner Mutter, Eva, sagte sie jedes Mal, aber er blieb bei Frau Professor, und das war oft das Einzige, was er zu ihr sagte. Grüß Gott, Frau Professor, auf Wiedersehen, Frau Professor. Manchmal fragte ihn die Mutter, das tat sie, um meinen Vater zu ärgern, ob er gerne tanze, welche Musik er höre, ob er Erfahrungen mit Drogen habe, bewusstseinserweiternde Substanzen, sagte sie, aber, und sie lachte silberhell, das brauchen Sie wahrscheinlich nicht, Bewusstseinserweiterndes. Ob er eine Freundin habe, sie legte den Kopf schief, Frauen, sagte sie, das wenigstens interessiert Sie doch hoffentlich, neben den Steinen. Eva, sagte mein Vater scharf. Hubert sah auf seinen Teller, mir tat das Herz weh.
    Wenn die Mutter nicht mit uns aß, das war meistens, weil sie in ihrem Studio war oder in der Stadt oder weil sie Kopfweh hatte, dann servierte uns Vroni, unsere Haushälterin, das Essen. Der Vater und Hubert setzten ihre Gespräche einfach fort, und als würde ich alles verstehen, was sie sagten, wandten sie sich immer wieder einmal an mich. Die Finanzierung läuft über den Forschungsfond, sagte der Vater zu mir, ich nickte, in fünf Meter Tiefe, sagte Hubert, in Schlamm und Geröll, weißt du, was das heißt? Nein, sagte ich, und er erklärte es mir, Untersuchung der Hausabfälle, sagte der Vater, und der Latrinen, rief ich, und der Latrinen, sagte der Vater und lachte.
    Dass ich Hubert liebte, das wusste keiner, vielleicht noch nicht einmal ich

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