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Sommer in Ephesos

Sommer in Ephesos

Titel: Sommer in Ephesos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Schmidauer
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dran, ich habe es genommen und ihn wortlos in die Bibliothek gebracht. Alles in Ordnung, Ana?, hat er gefragt, aber ich konnte ihm nichts sagen. Ich habe ihn auch wieder zur Tür gebracht, das Band hatte ich die ganze Zeit in meiner Hand gehalten, die war schweißnass, es tut mir leid, Ana, hat er gesagt, bevor ich die Tür hinter ihm zugemacht habe, ich habe nicht dran gedacht, dir zu sagen, dass ich eine Zeit lang weg bin.
    Er ist in die Knie gegangen und hat mir in die Augen geschaut. Ehrlich, es tut mir leid, hat er noch einmal gesagt, das war das erste Mal, dass ich von ganz nah in seine Augen geschaut habe, es kommt nicht wieder vor.
    Danke für die Kette, habe ich gesagt.
    Bis nächste Woche, Ana. Er ist aufgestanden und ist die Auffahrt hinuntergegangen und ich habe ihm nachgesehen, bis er hinter der Biegung verschwunden war.
    Mein Vater hat dann immer, wenn Hubert nicht kommen konnte, wie nebenbei am Mittagstisch gesagt, Hubert kommt heute nicht. Als würde das meine Mutter interessieren, so hat er es ihr erzählt, nächste Woche kann Hubert nicht kommen, er lässt sich entschuldigen. Wie nebenbei hat er es gesagt und ich habe mich über meinen Teller gebeugt, dass er das Heiße in meinem Gesicht nicht sehen konnte.

    Bach, sagt der Pfarrer. Mozart und Bach. Er tippt mit dem Löffel an sein Teeglas, draußen rauscht der Regen, vor dem wir vom Friedhof in den Pfarrhof geflüchtet sind. Unser Chor, sagt der Pfarrer und schlürft mit gespitzten Lippen seinen Tee, kennen Sie unseren Chor?
    Ich schüttle den Kopf.
    Unser Chor, der Pfarrer sieht mich begeistert an, ist ja über die Grenzen unserer Pfarre hinaus bekannt, wenn ich mich recht entsinne, war der Chor einer der Gründe, warum Ihr Vater gerne zu uns gekommen ist. Haben Sie nicht, er sieht mich prüfend an, haben Sie nicht früher auch die Messe bei uns besucht?
    Nein, sage ich und nehme einen Schluck vom Tee, der schmeckt grün und metallen, ich wohne schon lange nicht mehr hier.
    Zur Kommunion, er wirft mir einen bedeutungsvollen Blick zu, das Streichquartett von Mozart, er summt ein paar Takte, exquisit, sagt er und spitzt wieder die Lippen, exquisit.
    Weil ich nicht weiß, was ich sagen soll, greife ich nach den Keksen, von der Wand herunter segnet ein Jesus das kahle Haupt des Pfarrers.
    Die Musiker sind verständigt, fährt er fort, wenn ich es recht erinnere, sind das alles Kollegen Ihres Vaters, schön schön, das ist schön, wenn man so hinausbegleitet wird. Hinüber, vielmehr, hinüberbegleitet.
    Wieder sieht er mich bedeutungsvoll an, ich nicke, weil das offenbar von mir erwartet wird.
    Zum Ausgang dann die Toccata von Bach, gewaltig, immer wieder, der Pfarrer macht ein schmatzendes Geräusch und reibt sich die Hände. Auch unser Organist hat Gnade vor den Augen, vielmehr den Ohren, das Lachen des Pfarrers klingt wie das dünne Meckern einer Ziege, den Ohren Ihres Vaters gefunden.
    Behutsam legt der Pfarrer die Fingerspitzen aneinander. Mit den beiden Zeigefingern tippt er sich mehrmals an seine Nase. Er war wohl sehr musikalisch, Ihr Vater, sagt er.
    Ich weiß nicht, sage ich.
    Haben Sie noch Wünsche?
    Nein, sage ich, mein Vater hat ja alles geregelt.
    Vielleicht möchten Sie, dass ich auf etwas besonders hinweise?
    Ich schüttle den Kopf.
    Die Angehörigen können selbstverständlich, wenn sie das wünschen, die Messe noch mitgestalten, Fürbitten? Er zieht die Augenbrauen fragend hoch. Eine kleine Rede vielleicht? Würdigungen? Danksagungen?
    Nein, sage ich. In seinen Anweisungen steht ausdrücklich, ich krame in meiner Tasche, ziehe die Mappe heraus, hier steht es: »Keine Reden in der Kirche, keine Reden am offenen Grab. Wenn es denn sein muss, dann nur im Warmen, oder im Kühlen, je nach Jahreszeit, im Trockenen und unter Zufuhr von reichlich Alkohol.«
    Hmhm, sagt der Pfarrer, gut gut. Er wackelt mit dem Kopf. Er war wohl sehr humorvoll, Ihr Vater.
    Nein, sage ich, eigentlich nicht.
    Möchten Sie, bohrt er weiter, dass ich bestimmte Ereignisse aus dem Leben Ihres Vaters besonders erwähne, Charaktereigenschaften vielleicht oder auch bestimmte Personen?
    Ich glaube nicht, dass er das wollte.
    Ich stehe auf und schüttle dem Pfarrer die Hand. Das Einzige, sage ich, was man sagen könnte, aber das passt natürlich nicht, in dem Rahmen, ja, sagt der Pfarrer eifrig und beugt sich vor, das passt so überhaupt nicht, der Pfarrer reißt erwartungsvoll die Augen auf.
    Dass er im Dienst der Göttin stand, sage ich.
    Im Dienst der Göttin?
    Ja,

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