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Sommer in Ephesos

Sommer in Ephesos

Titel: Sommer in Ephesos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Schmidauer
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auf und an der Uniform des Admirals blinkten blau die Knöpfe, brausend steuerten die Schiffe in den schwarzen Sog.
    Wie trunken stürzte sich das Sofa nach mit seufzenden Federn, von den Wänden lösten sich blau und grün, ein dunkles Rot und mühlengelb, Tapeten. Rosa auf schneeweißem Grund hüpften Teller und Schüsseln und Schalen und knarrend, mit klapperndem Deckel, rollte das Klavier, hoch oben schwang ein Luster. Und wie sie sich in den Abgrund stürzten, der außerhalb der Welt war, eins nach dem andern, ins brausende, schwarz aufschäumende Verderben, legten sich bleich die Schatten der Bäume wie Gespensterarme auf mich.
    Ich floh. Die Tür zur Bibliothek meines Vaters war nur angelehnt, ich hab Hunger, wollte ich dem Vater sagen, weil ich nicht begriff, was passiert war. Ich mach dir einen Grießbrei, würde er sagen, süßer Grießbrei mit goldgelben Butterflocken und Schokolade und puderweißem Zucker, der Brei würde die Welt zurückholen, aber der Vater war nicht da, er war in die Schwärze gestürzt. Im Licht, das auf den Tisch fiel, glänzte etwas. Rundum war ein Dunkel, ich ging, es war kalt, schien mir, durch das Dunkel, das Lichtlose, als fänden meine Füße keinen Grund, die Stille in meinem Kopf dröhnte. Ein Laden klapperte gegen die Hausmauer. Der Stuhl, der vor dem Schreibtisch meines Vaters stand, ein alter Stuhl mit Löwentatzen an den Stuhlbeinen, in die Armlehnen waren Muster geschnitzt, die zog ich, wenn ich bei meinem Vater saß, mit den Fingern nach, Einkerbungen, Erhebungen, Rosenmuster und Lianen, ich fand die Muster nicht. Ich kletterte auf den Stuhl, der schwankte wie ein Schiff auf hoher See, das brüchige Leder der Sitzfläche war rau unter meinen Fingern. Ich kniete mich auf die Sitzfläche und zog, etwas gischte auf, herb, zog den Stuhl und mich näher an den Tisch heran. Und dann sah ich es, was im abgezirkelten Licht der Lampe lag.

    Fritz sagen seine Eltern, seine Brüder zu ihm, Friedrich die Arbeitskollegen und Freunde, ich kann mich nie entscheiden. Friedrich, was ist das für ein Name, dachte ich, als er sich mir vorgestellt hat vor drei Jahren. Friedrich oder Fritz, wenn wir uns lieben, ich weiß nicht, wie ich ihn rufen soll. Aber, denke ich, wenn ich wieder ruhig bin, es soll ihn kein Name an mich binden.
    Komm zu mir, hat er am Telefon gesagt, du solltest nicht allein sein jetzt, du kannst bei mir schlafen. Und vielleicht hat er recht, und es wäre gut, bei ihm zu sein, sein gutes Gesicht zu sehen. Dass er ein gutes Gesicht hat, seit wann weiß ich das?
    Weil es aber nicht geht, treffen wir uns schließlich zum Essen in einem Lokal, ich esse nicht viel, ich trinke zu schnell, der Wein ist rot und erinnert mich an etwas, wie mich alles an etwas erinnert, seit mich die Mutter angerufen hat. Wie geht es dir?, fragt Friedrich, wie war es im Bestattungsinstitut, kann ich dir helfen?, fragt er, gut, sage ich, nein. Hast du deinen Vater gesehen?, fragt er, ich schüttle den Kopf, nein, sage ich, er liegt woanders. Ich rede über mein Projekt, ich komme zu nichts, sage ich, ich kann doch jetzt nicht alles liegen lassen. Ich gehe dann bald nach Hause, ich hätte gar nicht kommen sollen. Ich ruf dich an, sage ich und gehe.
    Ich kenne Friedrich seit drei Jahren, fast genau so lange schlafen wir miteinander. Manchmal bleibe ich bei ihm über Nacht, wenn ich gehen muss, gehe ich. In meiner Wohnung ist er vielleicht zehn Mal eine Nacht bis zum Morgen geblieben.
    Ich habe ihn auf dem Fest einer Kollegin kennengelernt, ein Netter, hat die Kollegin gesagt, ein ganz Lieber, nett und lieb, habe ich mir gedacht, wer braucht das. Es hat mich aber geärgert, dass er so offensichtlich kein Interesse an mir hatte. Wir haben ein paar Sätze gewechselt, Meeresbiologe, Architektin, der Bau künstlicher Korallenriffe, intelligentes Design, pseudomuskuläre Materialien, Expertensysteme, an der Intelligenz des Menschen, sagte er, ist aber doch immer wieder zu zweifeln.
    Eine Woche später habe ich ihn angerufen. Warum, wenn dir nichts an ihm liegt?, hat die Kollegin gefragt, ich habe die Schultern gezuckt, muss man es denn immer wissen? Ich musste meinen Namen wiederholen, musste ihm sagen, wir haben uns bei Nadja getroffen. Ihn aus seiner Ruhe bringen, vielleicht wollte ich das. Ich möchte die Aufnahmen von den Riffen sehen, so, hat er gesagt. Ich habe einen Termin bekommen, ich erkannte ihn nicht gleich, als er mich begrüßte. Dass er abrückte, wenn ich nahe bei ihm stand, auch das hat

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