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Sommer in Ephesos

Sommer in Ephesos

Titel: Sommer in Ephesos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Schmidauer
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Pfirsichplantagen umwandeln, wird sich das irgendwann nicht mehr ausgehen mit dem Wasser, heuer, sagte er, hat es ungewöhnlich wenig geregnet.
    Ich bohrte mir die Fäuste in die Schläfen. Ich sollte in L. A. sein, in San Francisco, stattdessen saß ich in einem klapprigen Jeep, fuhr durch Pfirsichplantagen und hörte meinen Vater über das Wetter reden.
    Normalerweise steht das Artemision unter Wasser, sagte er, und wir arbeiten mit Pumpen, wenn wir dort graben, das was?, fragte ich, um ihn zu kränken, das Artemision, sagte er leise.
    Kurz vor Selçuk räusperte er sich, der Strand ist nicht weit weg, sagte er, es gibt Busse, die fahren regelmäßig, in einer Viertelstunde bist du am Meer. Oder vielleicht möchtest du, dann müsste ich ein Zimmer reservieren, an einem Wochenende nach Kusadasi fahren, da kannst du, wenn es das ist, was dich interessiert, einkaufen, ausgehen, da gibt es, nehme ich an, Discos, ein Nachtleben.
    Ich zuckte die Schultern, dann hielten wir, wir sind da, sagte der Vater.
    Der Vater war ins Grabungshaus zurückgegangen, ich muss erst Koffer auspacken, duschen, ich hab jetzt keine Lust, hatte ich gesagt, als er mir den Weg zeigen wollte. Dann hol ich dich am Abend ab, ich hatte die Schultern gezuckt und er war schließlich gegangen. Der Pool im Garten des Hotels war klein, das Wasser war zu warm, Amerika, dachte ich, ich hätte in Wien bleiben sollen, dort hätte ich wenigstens die alte Donau und den Schatten der Bäume gehabt.
    Als ich die Sonne nicht mehr ertrug und die Hitze, und nicht mehr das Kreischen der Kinder und die Unterhaltungen der Erwachsenen, die rund um den Pool lagen, ging ich auf mein Zimmer, das war schmal, ein Bett stand darin, ein Kasten, ein Tisch. Das Fenster zeigte auf den Hof mit dem Pool, an der Mauer um den Garten rankten sich, violett und orange, großblütig, Gewächse und Rosen, die schwankten, obwohl kein Wind war. Ich schloss die Fensterläden, aber die Stimmen der Kinder konnte ich nicht ausschließen. Drei Monate, dachte ich, warum war ich nicht in Wien geblieben? Ich stand auf und ging hinaus.
    Ich verließ das Hotel, ich folgte der Straße nach rechts, da war ein großes Gebäude, hohe, glatte, steinerne, fensterlose Wände, Steintreppen, die in einen Innenhof führten. Ein Brunnen war im Hof, ein paar Olivenbäume. Ich wusste nicht, wie man eine Moschee betrat, also blieb ich im Hof. Das Licht fiel golden auf den schimmernden Stein und fing sich im silbrigen Flirren der Bäume. Später sang ein Muezzin, lange. Dann ging ich wieder hinaus und eine Straße entlang, eine Säule stand im Grün. Das Artemision, dachte ich, und Tränen schossen mir in die Augen.

    Einmal mit fünf, da hatte ich ein großes Fieber. Es war spät im November, ich war den ganzen Nachmittag draußen gewesen. Ich hatte Häuschen aus Moos und aus Steinen und Holz gebaut, unter dem letzten leuchtenden Rot der Buchen hatte ich getanzt, wie es Mädchen tun. Ich hatte etwas gesehen, nicht gesehen, das huschte und schwirrte, immer am Rand, wo ich es nicht wissen konnte, huschte und schwirrte es im Unterholz, in den Kronen der Buchen, im Laub, das rot unter meinen Füßen raschelte. Dann war die Sonne verschwunden, der Himmel hatte sich violett gefärbt, eine Traurigkeit war in dem Mädchen, das ich war. Es fröstelte mich und die Linden und Buchen standen fremd. Ich hielt ganz still. Das aushalten.
    Im Haus knarrte und knackte es, ein Ticken war im Holz, sanfter Staub, der in den schweren Vorhängen schlummerte. Bilder hingen an den Wänden, die hatten Risse, und dahinter war ein Anderes, das sickerte in die Welt. Am Kaminsims, auf einem glänzenden Tisch lachten Gesichter, die ich einmal gekannt hatte, einer anderen zu, nicht mir. Ein Loch war in der Welt, da hinaus war etwas verschwunden, ein warmer Atem, ein Lied, Wolle und Leder, feuchte Arme und der Duft von Zitronen. Eine große Traurigkeit quoll in die Welt, wie zum Hohn lachten die Gesichter. Vögel, bunte, die in Blumenranken schillerten, flogen keckernd in die Schwärze. Paläste und Kirchen und Plätze und Straßen und Brücken, Boote mit Körben voll Früchten, ein Gewimmel von Menschen, zierlichen, mit zierlichen Schühchen und Häubchen, mit Hündchen und Kätzchen und Äffchen, ein Einhorn, all das verschwand, sich tummelnd, in die Schwärze. Eine Alte, die saß, die Röcke gebauscht, im Boot, die wackelte mit dem Kopf und deutete mir mit dem Finger. Golden gebläht steuerten Schiffe, der Wind fuhr die Segel weiß und weit

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