Sommer in Ephesos
sage ich. Aber eben, das passt ja da so gar nicht.
Manchmal, in den drei Jahren, die ich ihn jetzt kenne, war es gut mit Friedrich. Manchmal war es, als könnten wir Freunde sein. Kino, essen gehen, Museen, an ein Wasser fahren oder auf einen Berg gehen, das alles, und manchmal war es gut. Manchmal habe ich gesehen, wie er andere Paare beobachtete, andere, wir sind kein Paar. Was willst du bei mir?, müsste ich sagen, du vergeudest deine Zeit mit mir. Das ist nicht deine Sorge, sagt er.
Manchmal, wenn er mich liebt, er liebt mich wie abwesend, dann möchte ich ihn lieben können, als gäbe es keinen andern. Früher, ganz am Anfang, ich kannte schon das Ausmaß seines Begehrens, ich bin mit ihm auf Partys gegangen, auf Vernissagen und Biologenempfänge, Architektengespräche, dann war da vielleicht einer, mit dem bin ich dann nach Hause gegangen. Friedrich hat es gesehen, er sollte es sehen. Ich habe seinen Blick gesucht, wenn ich mit einem anderen gegangen bin, weil ich sehen wollte, was das mit ihm macht. Ich gehe immer noch von Zeit zu Zeit mit anderen Männern mit, aber er soll es nicht mehr wissen.
So eine Erleichterung damals, immer, wenn ich gewusst habe, ich werde ihn nicht wiedersehen, aber dann, nach den Vernissagen, nach den Partys, manchmal war ich es, die angerufen hat. Ich bin in der Nähe, ich hab grad Zeit, willst du nicht, wir könnten doch. Oder er hat sich nicht gemeldet, lange nicht, so eine Erleichterung, dass es vorüber war, dass ich keine andere mehr sein musste, aber dann hat er mich vom Büro abgeholt oder eine Mail geschrieben, was ich dir zeigen wollte, wir haben, erinnerst du dich, darüber geredet, oder da war ein Film, ein Theaterstück, und wenn ich ihn wiedergesehen habe, war es gut, manchmal. Wir haben nie über die anderen geredet. Er war vorsichtiger, ich habe es in seinem Körper gespürt, wie er seine Sätze geformt hat, auch wie er mich nicht berührt hat auf dem Weg ins Kino, ins Theater, wie er mich später ausgezogen hat, so eine Zurückhaltung.
Einmal hat er doch gefragt. Warum tust du das, warum schläfst du mit Männern, die du nicht kennst, die du nie wiedersehen wirst, erklär’s mir.
Ich lag neben ihm, wir hatten uns geliebt, ich hätte gerne gewusst, wie es sich anfühlt, in mir zu sein, aber das würde ich nicht fragen. Was wird das jetzt?, sagte ich träge. Ich tue es, weil ich es tue, das ist alles.
Was suchst du, wenn du mit einem Mann mitgehst, du musst doch etwas suchen. Seine Haut war hell und feucht und duftete, oder was findest du, ich legte meine Hand auf seine Brust, seinen Bauch, küsste sein Kinn, seinen Hals, nein, sag, er schob mich weg, ich möchte es wissen.
Ich aber nicht, sagte ich. Ich blieb bei ihm in dieser Nacht, weil meine Haut so dünn war, ich hätte die Nachtluft nicht ertragen.
Ich war aus dem Hof der Moschee hinausgegangen und auf die Straße gelangt, die nach einem Wiener Bauunternehmer benannt ist, Palmen und Stelen von Löwentieren säumten die Straße und Sonnenblumen standen hoch in Feldern. Ein leichter Wind fächelte in den Palmzweigen.
Die Säule, sagte mein Vater hinter mir, ist natürlich nicht authentisch aufgestellt.
Natürlich nicht, sagte ich. Ich lachte, weil ich mich an alles wieder erinnerte, an die Bilder, an die Reiseführer, Kunstführer, in denen ich über das Artemision gelesen hatte. Die hoch aufragende Säule im Nordosten, sagte ich, wurde im Jahr 1973 aus unregelmäßigen Trommeln verschiedener Säulen aufgestellt. Ich wischte mir, was nass war, aus den Augen. Tümpel voll Grundwasser, sagte ich, stimmt das?
Normalerweise müssen wir das Gelände mit Hilfe einer Vakuumpumpe trockenlegen, sagte der Vater, aber heuer war wenig Niederschlag, so gute Bedingungen hatten wir noch nie.
Der Tempel, sagte ich, das Kultbild, das Bild der Artemis, das ist hier gewesen. Wahnsinn, sagte ich, das Heiligste vom Heiligen, das ist alles hier gewesen. Ich starrte auf die Säule. Da nisten Störche, siehst du.
Ja, sagte mein Vater, seit wir die Säule wieder aufgestellt haben, nisten da Störche.
Genius Loci, sagte ich. Ich spürte sein Lächeln in meinem Rücken. Wenn der Reisende in alter Zeit mit dem Schiff nach Ephesos kam, dozierte ich aus einem Reiseführer, den hatte ich auswendig gelernt, da war ich sieben oder acht, muss dieser riesige Marmortempel, das Heiligtum der Artemis, einen großartigen Eindruck erweckt haben. Mehr als einhundertsiebenundzwanzig Säulen, über neunzehn Meter hoch, umstanden an den
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