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Sommer in Ephesos

Sommer in Ephesos

Titel: Sommer in Ephesos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Schmidauer
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selbst. Später habe ich mich in ihn verliebt, aber damals schon liebte ich ihn. Ich liebte es, wie er, wenn er mit dem Vater im Park war, mit großen Bewegungen zeigte, was er meinte, die Aufregung, die in seiner Stimme war, wie er aufsprang und sich setzte, und den Stolz meines Vaters auf Hubert liebte ich. Ich liebte das Lächeln in seinen Augen, wenn er sich zu mir auf den Boden hockte, wie er, wenn ich ihm meine Steinesammlung zeigte, jeden Stein einzeln in die Hand nahm, ihn drehte und sorgfältig untersuchte. Fundlage?, fragte er und ich beschrieb ihm, wo ich den Stein gefunden hatte, am Hochkönig, ganz am Rand zum Abgrund, in Neuwaldegg, am Weg zum Schutzhaus, am Semmering, gleich beim Bahnhof. An einem Vormittag, sagte ich, es hat geregnet, ich war mit dem Vater nur kurz draußen und da, wenn du die Allee heraufkommst, bei der großen Kastanie, da ist er gelegen, hm, hat Hubert gesagt, ein Kastanienstein. Ich liebte es, wie ihm die Haare in Fransen in die Augen hingen und wie er sie aus der Stirn schob. Manchmal übte ich das für mich, dann stand ich vor dem Spiegel und fuhr mir durchs Haar, wie es Hubert tat. Und ich liebte seine dummen Pullover, über die die Mutter lachte, die waren ihm an den Armen zu lang, oder zu kurz, dann zog er daran, ungeduldig. Auch diese Bewegung liebte ich.
    Wenn ich wusste, dass Hubert kam, dann hockte ich im Wohnzimmer auf der Couch und starrte aus dem Fenster, und wenn er die Auffahrt heraufkam, eine schmale Gestalt, groß, manchmal bückte er sich und hob etwas auf, Bucheckern im Herbst, einen Stein, einen Zapfen, ein Blatt oder ein Stück Holz, dann stand ich auf und ging durch die Eingangshalle zur Tür, die öffnete ich ihm, noch bevor er läutete. Er deutete eine Verbeugung an, die Herrin des Hauses, sagte er und streckte mir entgegen, was er aufgehoben hatte.
    Mein Herr, sagte ich, was begehrt Ihr?
    Einlass, sagte er.
    Ich musterte ihn, ich musterte sein Geschenk, dann nickte ich und ließ ihn eintreten. Der Herr Professor, sagte ich, erwartet Euch in der Bibliothek, und hoheitsvoll führte ich Hubert zu meinem Vater, er folgte mir ergeben.
    Ich bring dir den Hubert, sagte ich zu meinem Vater, der aufstand und ihn begrüßte, aufgeräumt, setz dich, und zu mir sagte er vielleicht, Anastasía, sei doch so lieb und bring dem Hubert was zu trinken, nur Wasser, sagte Hubert, und ich hüpfte in die Küche und füllte eine Karaffe mit frischem, kaltem Wasser.
    Manchmal war mein Vater noch nicht da, dann warteten wir in der Bibliothek auf ihn. Was liest du?, fragte er, Rittersagen, sagte ich, und wir redeten von Artus und Parzival, von Dietrich von Bern, er blätterte in meinen Büchern, bis der Vater kam.
    Auf Wiedersehen, Ana, sagte Hubert an der Tür. Das war unser Geheimnis, dass ich Ana war, wenn wir alleine waren, und Anastasia, wenn mein Vater, der Herr Professor, dabei war.
    Bis nächste Woche, Ana, sagte er und ich nickte.
    Zieht hinaus und kehrt wieder, sagte ich vielleicht noch, das will ich, Herrin, antwortete er, todernst, und als hätte er ein Pferd unter sich, so stob er die Auffahrt hinunter, in die Schlacht, in den Tod, schrie er vielleicht, nicht in den Tod, Herr, rief ich ihm nach, zu mir zurück.
    Einmal wäre er fast in meine Mutter geprallt, die sah mich belustigt an, soso, sagte sie, zu dir zurück.
    In einem Frühling ist Hubert länger nicht gekommen, aber keiner hatte mir gesagt, dass es so sein würde und warum. Ich habe gewartet und gewartet, einen Mittwoch und noch einen Mittwoch und die Samstage, weil ich mir dachte, wenn nicht am Mittwoch, dann vielleicht am Samstag, und als er auch am dritten oder vierten Mittwoch nicht gekommen ist, habe ich den Vater gefragt.
    Hast du dich gestritten mit Hubert, wieso hast du dich mit ihm gestritten?
    Nein, sagte er, wie kommst du darauf?
    Weil er nicht mehr kommt, sagte ich.
    Aber nein, sagte mein Vater. Er drehte sich zum Tisch, wo er in den Papieren blätterte.
    Ist er tot, fragte ich, ist ihm etwas passiert?
    Aber nein, es ist alles gut.
    Da musste ich plötzlich weinen und der Vater zog mich in seine Arme, Wolle und Leder, was denn, sagte er, ist ja gut, Anastasía, Stasile, du, er kommt ja wieder. Jetzt beruhige dich, Anastasía, sagte mein Vater, er ist auf einer Lehrgrabung, er ist in Italien, nächste Woche ist er wieder da, du wirst sehen.
    Und das sagst du nicht nur so?
    Nein, hat er gesagt, das sag ich nicht nur so.
    Hubert hatte mir etwas mitgebracht aus Italien, ein Lederband mit einem Stein

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