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Sommer in Ephesos

Sommer in Ephesos

Titel: Sommer in Ephesos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Schmidauer
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mich gereizt. Er hat mir das Material erklärt, das er vorbereitet hatte, wir könnten ja mal essen gehen, habe ich gesagt, er hat gezögert. Wir waren ein paarmal essen, ich war mir nie sicher, ob es angenehm war oder langweilig mit ihm. Es ärgerte mich aber, verunsicherte mich auch, dass er so offensichtlich kein Interesse an mir hatte. Als wir das erste Mal miteinander geschlafen haben, war ich vom Ausmaß seines Begehrens überrascht.

    Der Vater hat mich am Schreibtisch gefunden, zusammengesunken über dem Bild der Göttin. Du hast geweint, hat er später gesagt, du warst ganz heiß, wir haben solche Angst gehabt.
    Die Abwesenheit von allem. Als ich aufwachte, waren da Gesichter, Stimmen, jemand flößte mir etwas ein, jemand wusch mich, das war nicht wirklich. Mein Körper brannte, innen und außen, die Nässe, die aus meinem Körper kam, dass ich Durst hatte, dass ich Schmerzen hatte, dass mich ein eisiges Feuer verschlang, das war nicht wirklich. Nur die Schwärze war wirklich, in die ich fiel. So süß, so lockend, dass ich nicht sein musste.
    Da war ein Rad, das sich drehte, ein kreiselndes Feuerrad. Ein Atem, der mich versengte, und etwas vibrierte, das war sehr groß. Aus dem Rad sprangen Tiere, Hirsche, Gazellen und Löwen. Die Schöne, die Bärin, und Vögel mit Klauen und Brüsten, goldene Bienen schwärmten im kreiselnden Feuer. Ein Ton kam aus dem Feuer, das Rauschen von Pfeilen. Ungetrennt war, allvermischt, was aus dem Rad sprang. Stierleiber mit Männerkörpern, Frauenbrüste und Löwenkörper, ein Schlangenschwanz und ein Stachel, der sticht. Ein geschuppter Leib, sich ringelnd, aber Frauenarme, eine Männerbrust. Die Pranken einer Löwin auf meinem Leib, ihr heißer Atem, und wie es pulsierte unter dem sandfarbenen Fell. Der Leib der Löwin, die Brüste der Frau, der Hirschkuh, der Gazelle, etwas Großes, das ich nicht sah, drückte mich an den Leib der Löwin, ein heißer Atem, und süß und herb war, was aus den Brüsten rann.
    Schön und schrecklich dann, von Früchten und Blumen gekränzt und umrauscht von Pfeilen, die Hörner des Widders, das Hirschgeweih, die Zähne des Ebers bohrten sich mir ins lebendige Fleisch. Früchte und Blumen, und was den Körper zusammenhielt und zerriss, ich saugte an Brüsten, was schwang und schwebte, vibrierte, schrecklich und schön.
    In einem Rauschen wie von Flügeln, von Pfeilen, kommt die Flügellose. Aus dem Wasser steigt sie, aus dem Meer und dem Fluss, dem Sumpfwasser, groß und schrecklich und schön und alt und jung, schaumgeboren, die Große, Alte, die Mutter, grimmig. Die Erde bricht auf unter mir, was unter der Erde ist, der Tod, braust, ich hänge an ihren Brüsten, oben und unten wirbeln in einem samtenen Dunkel Sterne.
    Aufgereizte kindliche Phantasie, hat der Arzt gesagt. Zu viel Fernsehen, sie braucht jetzt viel Ruhe.
    Weil du, hat die Mutter zum Vater gesagt, dem Kind Sachen erzählst, die es noch nicht verstehen kann. Weil du ihr diese schrecklichen Geschichten erzählst, siehst du denn nicht, was du angerichtet hast? Du wirst damit aufhören, alle diese Geschichten, ich will nichts mehr davon hören.
    Als wir wieder allein waren, hat sich der Vater zu mir gesetzt. Er hat mir die Hand auf die Stirn gelegt und gelächelt. Du hast die Göttin gesehen, hat er gesagt. Die Göttin hat dich angeschaut.
    Erzähl mir von ihr, habe ich gesagt.

    Hubert war der Lieblingsstudent meines Vaters gewesen. Ich war fünf, ich war sechs, jeden Mittwoch und manchmal an Samstagen ist Hubert zum Vater in unsere Villa gekommen, ich war zehn und immer noch sah ich ihn an Mittwochen und an Samstagen, Hubert gehörte für mich zur Familie. Privatissimum, hat der Vater gesagt und sein hochakademisches Gesicht gemacht, lass uns jetzt alleine, wir haben zu tun, und das stimmte auch, sie hatten immer was zu tun, aber eigentlich war es wohl so, dass mein Vater Hubert geliebt hat.
    Wenn der Vater über Hubert sprach, strahlte er. Um nicht zu sagen brillant, sagte er manchmal, wenn er der Mutter und mir am Mittagstisch auseinandersetzte, was er an Hubert so schätzte. Ein Kluger, sagte er, liest, was ihm unter die Finger kommt, kein Fachidiot, der Vater hasste Fachidioten. Schnelle Auffassungsgabe, sagte er, autonomes Denken, breites Interessensfeld.
    Er könnte sich ein neues Hemd kaufen, sagte die Mutter, neue Hosen, und beim Friseur war er auch schon lange nicht mehr.
    Der Vater schnaubte. Es ist nicht jeder mit materiellen Gütern gesegnet, aber Gott sei Dank hat

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