Sommer in Ephesos
gesagt, hat dich angesehen, du warst winzig, verknittert, blau und blutig, du hast ihn ins Herz getroffen. Weißt du das? Mehr als ich ihn je getroffen habe, hat sie gesagt. Er hat aufgehört, mich zu lieben, als du da warst. Das stimmt nicht, sagte ich, doch, sagte sie.
Der Abend dann meines achtzehnten Geburtstags. Der Vater hatte mit der Haushälterin in Wien telefoniert, ein Paket war gekommen, er hatte mit den Köchinnen im Grabungshaus geredet, konferiert, sagte er. Ein Guglhupf, schrie ich, als nach dem Essen die Köchin den Kuchen vor mich hinstellte. Er schmeckte ein wenig fremd, aber es war ein Guglhupf. Ein was, sagte jemand hinter mir, Jan, schrie ich, der war gerade zurückgekommen aus Aphrodisias, gibt’s was zu feiern? Er umarmte mich, ein wenig ungeschickt. Martin kam und gratulierte, ein wenig verlegen. Ich war mit Martin bei der Mauer, sagte ich zu Jan, mit Martin, sagte er, schön. Sophia gratulierte, und das Theaterteam und Vildan und Werner und Ingrid. Ilse hatte mir ein Buch eingepackt, es ist nicht neu, sagte sie, aber eins meiner liebsten Bücher. Und Hubert ging aus dem Saal in den Hof und aus dem Hof hinaus.
Später sind wir unter dem Dach gesessen, der Vater hat Wein eingeschenkt. Was wirst du tun mit deinem Leben?, fragte er.
Glücklich sein, sagte ich, immer so glücklich wie heute.
Was wünschst du dir zum Geburtstag?
Gar nichts. Ich legte den Kopf auf seine Schulter, es war so ein schöner Tag.
Wenn wir wieder zu Hause sind, hast du einen Wunsch frei.
Und wenn ich mir ein Auto wünsche?
Dann ist es ein Auto.
Ich brauche kein Auto, sagte ich. Ein Fahrrad vielleicht. Oder eine Reise, aber vielleicht will ich nie mehr woanders hinfahren.
Da hat der Vater gelacht, sein Vaterlachen. Du kannst immer hierher zurückkommen, hat er gesagt, aber du musst, warst du schon in Ägypten?
Nein, habe ich gesagt, das weißt du aber.
Es gibt tausend Orte, in Griechenland, in der Türkei, Italien, die du sehen musst, sagte der Vater, warst du schon in Syrien?, nein, sagte ich, in Israel, in Tunesien, nein, sagte ich, nein, nein, nein. Dann ist es eine Reise, sagte der Vater und lehnte sich zufrieden zurück. Wenn es dir recht ist, ist es eine Reise.
Die Mutter war mit mir aus der Villa und dem Park ausgezogen. Der Vater war in Ephesos, wo er immer ist, hatte die Mutter gesagt, wo er lieber ist als hier. Dass ich den Vater verlassen hatte, das dachte ich Tag und Nacht, und ich wusste nicht, ob ich ihn wiedersehen würde.
Wo ich mit der Mutter wohnte, da war es hässlich und klein und eng und laut, es war mir alles fremd. Dein Vater möchte dich sehen, sagte die Mutter an einem Tag, ich wusste nicht, dass er zurück war, ich hatte auch nicht nach ihm gefragt. Die Blätter der Buchen waren rot, als ich das erste Mal in die Villa zurückkehrte. Jemand riss die Tür auf, das war Vroni, die nach Teig und Kuchen roch, die mich in ihr warmes weiches Fleisch drückte, das Kind, rief sie, das Kind ist da.
Ich ging ins Vorzimmer. Der Vater stand in der Tür zur Bibliothek, groß und dunkel, ich konnte sein Gesicht nicht sehen. Sei mir nicht böse, wollte ich sagen, da riss er mich hart in seine Arme.
Anastasía, sagte er.
Du tust mir weh, sagte ich und drängte mich aus der Umarmung.
Komm essen, sagte der Vater, seine Stimme war rau, die Vroni hat dir alles gemacht, was du gerne magst.
Dann stellte die Vroni meine Lieblingsspeisen vor mich hin. Frittatensuppe und Hühnchen mit Pommes frites, wie ist es in der Schule?, fragte mich der Vater, gut, sagte ich, Holundersaft, selbstgemacht, sagte die Vroni, und in der Wohnung?, gut, sagte ich, als Nachspeise Kaiserschmarren, den magst du doch, fragte sie, ich nickte, und deiner Mutter, wie geht es deiner Mutter?, gut, sagte ich und aß alles auf, was die Vroni vor mich hinstellte. Solange ich aß, musste ich nicht reden. Dann ging die Vroni, sie wischte sich über die Augen, es ist ein Verbrechen, sagte sie, brauchen Sie mich morgen? Nein, sagte der Vater, ich komme schon allein zurecht. Dann fiel die Tür hinter ihr zu und ich war mit ihm allein.
Wenn du nichts willst vom Fritz, warum lässt du ihn dann nicht in Ruhe?
Du hast recht, sagte ich, dass ich nichts will vom Friedrich. Ich ficke ihn gerne, und er mich, was kümmert’s dich.
Was es mich kümmert, zischte Heinz. Was weißt du von meinem Bruder, was verstehst du von meinem Bruder?
Nichts, sagte ich, und ich will auch nichts wissen, was geht es dich an.
Komm mit, hatte Friedrich gesagt,
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