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Sommer in Ephesos

Sommer in Ephesos

Titel: Sommer in Ephesos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Schmidauer
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unter Schleiern von Grün und Blau, lag die Ebene, lagen die Hügel vor uns.
    Siehst du, sagte der Vater und deutete in die Ebene, der Koressos, frühgriechischer Hafen, bis hierher reichte das Meer. Siehst du, sagte er, das Felsheiligtum, am Straßenrand waren Nischen für Votivgaben, dahinter in Felsen gemeißelte flache Nischen, ein Felsrelief, siehst du, das Meterheiligtum.
    Die Ringnekropole, sagte der Vater. Entlang der Prozessionsstraße lagen Gräber, einfache, in den Fels gehauene Grablegen, Sarkophage, Tonnengewölbe als sichtbare Grabmäler. Es ist ja die Stadt selbst auf Toten erbaut, sagte er. Als würden die Schritte der Lebenden, der Pilger, der Kaufleute, den Staub mitnehmen, zu dem einer geworden ist.
    Ein Feldweg führte uns weiter. Silbergrün, lorbeergrün, brombeergrün säumten Büsche und Bäume den Weg. Wie etwas flüsternd durch die Hügel zog und durch die Stadt, wie der Atem der Göttin immer noch in den Hügeln war. Hoch im Blau kreisten schwarze Vögel, Wächter der Stadt.
    Hier war, aber das weißt du, sagte der Vater vor dem Prytaneion, das Grab der Göttin. Hier wurde sie kultisch bestattet. Und hier, sagte er, haben wir sie ausgegraben, weißer Marmor in dunkler Erde.
    Weil wir nicht mehr allein waren, weil schon die ersten Busladungen sich über die Stadt ergossen, gingen wir weiter, die kleine Gasse hinunter, Kathodos, zum Domitiansplatz. Dass wir auf einer Schwelle stünden, sagte der Vater. Zur Prozessions- und Gräberstraße hin war Hermes mit seinem Widder gerichtet, zur Schwelle hin der Dreifuß des Apollon, der Kult, sagte der Vater, das menschliche Leben und der Tod, die Trennung oder die Einheit der Bereiche. Über die Kuretenstraße kamen wir zum Dreiwegtor im Bibliotheksviertel, wo der Prozessionsweg nach Ortygia, dem Geburtsort der Artemis und des Apollon, führte. Hekate wachte über den Weg. Dass der 6. Mai der Geburtstag der Stadtgöttin war, entzückte mich. Nächstes Jahr, sagte der Vater, musst du im Frühling kommen, zum Geburtstag der Göttin.
    Auf der Theaterstraße wollten wir picknicken, fern von Touristenschwärmen. Das, sagte der Vater, die Plateia in Koressos, ist einer der schönsten Orte hier, den schenke ich dir heute.
    Zypressen standen da, als bildeten sie ein Tor, schwarz, aber licht war, was dahinter lag. Aus schattigem Geäst flatterten Waldtauben auf, weißer Flügelschlag in dämmrigem Grün. So sommerwarm und weich duftete der Stein und an Säulen rankte wie kosend Dorniges in die Höhe. Braune Nadeln bedeckten die marmorne Straße und Zapfen von Föhren rollten und blieben liegen. Dürre Gerippe von Stauden. Im Frühling glühten sie gelb, loderten gegen das Licht. Die Göttin hatte sich hier gezeigt in flammender Lohe.
    Wie das sonnengoldene Gras zitterte, Mädchenhaar, wie es flirrte über den Hügeln und wie zwischen den Säulen, die die Straße säumten, in violetten Schatten etwas stand, wenn ich die Augen schmal machte.
    Anastasía, sagte der Vater, du weißt, was dein Name bedeutet.
    Die, die wiedergeboren wird, sagte ich.
    Die, die wiedergeboren wird, wiederholte er. Er sah auf die Hügel hinter mir. Als du auf die Welt gekommen bist, sagte er, du warst so ein Geschenk, weißt du das.
    Ich schluckte, die violetten Schatten verschwanden. Ich sah den Vater an, der jetzt zu lächeln versuchte.
    Und weißt du, dass ich Angst hatte?
    Ich schüttelte den Kopf. Wovor?, sagte ich, du hast doch vor nichts Angst.
    Ich scharrte mit den Füßen in den Kiefernnadeln. Wolltest du mich nicht haben?, fragte ich. Hättest du mich lieber nicht haben wollen?
    Aber nein, wie kannst du das denken. Er setzte sich neben mich, du warst ein Geschenk, sagte er.
    Vor dem du Angst hattest.
    Weil ich so eine Freude hatte, sagte der Vater.
    Das hat dir Angst gemacht?
    So eine große Freude, der Vater nickte. Auch das hat mir Angst gemacht.
    Was noch? Ich hörte die Stille, Bienen, die summten.
    Dass ich dich nicht lieben könnte, sagte der Vater.
    Du musst nicht, sagte ich, der Vater schüttelte den Kopf.
    Nicht so, sagte er, wie ich es wollte.
    Später an diesem Tag, der Vater musste noch arbeiten, ging ich ins Museum. Ich sah die Göttin vom Berg, da waren aber zu viele Menschen. Dass sie in die Hügel gehörte, dachte ich, und in die Stadt, der Wind aus den Hügeln erreichte sie hier nicht. Im Hof der Moschee saß ich dann lange, machte die Augen schmal und dachte nichts.

    Du warst, hat die Mutter einmal gesagt, von Anfang an ein Vaterkind. Der Vater, hat sie

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