Sommer in Ephesos
bitte.
Wozu?, hatte ich gesagt, ich kenne niemanden.
Es sind meine Leute, willst du sie nicht kennenlernen?
Nein, habe ich gesagt, aber vielleicht weil Sommer war und weil dort Bäume waren und hohes Gras, vielleicht bin ich deswegen mitgefahren.
Der Fritz, sagte Heinz, ist als Kind oft wo gestanden, am Waldrand, am Feld, unter einem Baum. Er ist dagestanden wie nicht aus der Welt, als Kind hat der Fritz viel geweint. Später hat er die Bäume umarmt, er hat sich auf die Wiese gelegt und die Wiese umarmt, er ist durch die Felder gelaufen, er ist in den See gesprungen, du musst es umarmen, hat er gesagt. Ich habe mich für ihn geprügelt, sagte Heinz und sah zu seinem Bruder.
Wenn ihn einer verprügeln wollte, und da war immer einer, der ihn verprügeln wollte, wenn ihn also einer verprügeln wollte, ist der Fritz auf ihn zugegangen und wollte ihn umarmen. Das hat aber nicht funktioniert, also haben sie ihn verprügelt, und dann habe ich sie verprügelt. Das hat auch nicht funktioniert, weil ich viel kleiner war als sie, und der Fritz hat geweint und geschrien, du musst sie umarmen, hat er geschrien, und am Ende war ich es, den er umarmt hat.
Und, sagte ich, wieso erzählst du mir das?
Da war eine böse Kuh in der Nachbarschaft, fuhr Heinz fort. Die durfte nicht mehr auf die Weide, und dass sie geschlachtet werden sollte, das wussten wir. An einem Tag hat die Mutter den Fritz gesucht und nicht gefunden, sie ist zu allen Nachbarn, es hat ihn aber keiner gesehen. Am Abend hat eine Bäurin die Mutter geholt, er war bei der bösen Kuh. Sie hat uns oft erzählt, wie sie erschrocken ist, sie hat dann aber gesehen, dass ihm die Kuh nichts tun wird.
Hübsche Geschichte, sagte ich spöttisch. Und, bin ich jetzt sein neues Projekt, die böse Kuh?
Nein, sagte Heinz. Die Kuh ist ihm zugegangen. Du, du bist nicht gut für ihn, lass ihn in Ruh.
Später ist Friedrich gekommen, magst du dich nicht zu uns setzen?, fragte er.
Der Baum, unter dem ich stand, trug Äpfel, über und über. Es wird dir gefallen, hatte Friedrich gesagt, die Bäume tragen Äpfel, über und über. Ich muss gehen, sagte ich, ich habe noch zu tun.
So hart schlug mein Herz in diesem Sommer. Das tut es nicht mehr, schon lange nicht, weil ich es ihm verbiete. Wie wäre das auch zu ertragen.
Am Tag nach meinem Geburtstag, das war ein Sonntag, bin ich mit dem Vater und Ilse nach Pamucak ans Meer gefahren. Ilse und der Vater gingen den Strand entlang, Morgenfrühe, ich saß unter Palmen und sah auf das Meer, das glitzerte. Ilse und der Vater, die sich vielleicht an den Händen hielten. Ich dachte an Hubert, der meinen Blick gesucht hatte.
Erzähl mir von deinen Reisen, sagte ich zum Vater. Ich hörte es und vergaß, was er erzählte. Dann lasen wir, der Vater, Ilse und ich, ohne dass ich wusste, was ich las. Dann muss ich eingeschlafen sein und noch im Schlaf schlug mein Herz hart, und jemand beugte sich über mich und ein Ziehen war, eine Bewegung, dann schrie jemand, das war Ilse.
Ilses Haut war mit Bläschen bedeckt, ihr Gesicht war fleckig rot und geschwollen, rühr mich nicht an, schrie sie meinen Vater an, schau mich nicht an. Sie kämpfte sich in ihr Kleid, sie warf ein Tuch über sich, sie stülpte den Sonnenhut darauf und lief, ohne auf uns zu warten, aus dem Schatten in die glühende Hitze, Sand aufwirbelnd in Richtung Parkplatz.
Ilse, rief der Vater, so warte doch, aber sie warf die Arme in die Höhe und lief, eine groteske Erscheinung in flatterndem Tuch, ihre Arme und Beine leuchteten rot. Ich raffte unsere Sachen zusammen und stolperte hinter dem Vater und Ilse her.
Lass es mich anschauen, drängte der Vater Ilse, die schluchzend in eine Ecke gekauert auf der Rückbank des Autos saß, du sollst mich so nicht sehen, wimmerte sie.
Der Vater fuhr sehr schnell. Beim Grabungshaus angekommen stürzte Ilse aus dem Wagen, der Vater rang um Haltung, tut mir leid, sagte er, eine allergische Reaktion vielleicht, sie hat Medikamente genommen, jetzt haben wir dir den Tag verdorben.
Nein, sagte ich, mach dir keine Sorgen, kümmere dich um Ilse, wir sehen uns am Abend.
Am späten Nachmittag ging ich auf den Ayasoluk, vier Wochen war ich jetzt in Selçuk und war noch nicht auf dem Stadtberg gewesen. Ich streifte durch die Trümmer der Johannesbasilika, ich schaute auf die Ebene hinunter, über der Störche flogen, so grün war die Ebene und dunstig in der Nachmittagssonne. Ich schaute auf die Moschee hinunter, da musste mein Hotel sein, da war die
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