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Sommer in Ephesos

Sommer in Ephesos

Titel: Sommer in Ephesos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Schmidauer
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Friedrich, kein Garten, verstehe. Wann haben sich deine Eltern scheiden lassen?
    Irgendwann, sage ich, später erst, ich weiß es nicht, lustig, nicht? Wir sind aus dem Haus ausgezogen, da war ich zehn.
    Und du warst bei deiner Mutter.
    Ja, sage ich, das ist ja auch normal. Und bei den Großeltern oft. Nein, ich wäre nicht lieber beim Vater gewesen, er hat mit mir nichts anzufangen gewusst.
    Aber du hast doch gesagt, sagt Friedrich.
    Ja, sage ich, aber eine Scheidung verändert alles. Dann will ich nichts mehr erzählen, ich habe wieder gut gemacht, was ich vorhin gesagt habe.
    Wie war es, als du in die Schule gekommen bist?, fragt Friedrich.
    Okay, sage ich, ganz gut. Mir war manchmal langweilig, aber, ich muss lächeln, weil ich mir kleine Mädchen denke, blonde und braune Zöpfe und Locken und Haarspangen, Ines, Alexandra, Beate, ich habe dann Freundinnen gehabt, sage ich. Das hat mir gefallen, das war gut. Das ehrfürchtige Getuschel, als sie das erste Mal zu mir gekommen sind, Ines, Alexandra, Beate, ich habe ihnen die Artemis gezeigt, und den Gott Bes, Mädchentuscheln, Mädchenkichern. Und, sage ich, weil ich es beenden will, was weißt du jetzt von mir?
    Er sieht mich an, klare helle Augen wieder, dass du an Hundeohren geknabbert hast, sagt er. Dass du ein Mädchen warst mit Freundinnen. Du hast, war das so?, unter den Linden getanzt.
    Ja, sage ich, und unter der Rotbuche, die hatte Äste, die bis zum Boden reichten, und ihre Blätter waren im Winter noch rot.
    Bist du am Abend manchmal noch hinausgelaufen?
    Weil da das Flüstern war, denke ich, das Wispern. Am Abend verabschiedete ich mich von den Bäumen und den Fischen, die standen stumm im Teich, und von dem, was flüsterte und huschte und schwirrte. Bis morgen, sagte ich, morgen wieder, und etwas kicherte im Laub unter den Buchen.
    Und hast du gesehen, sagt Friedrich, wie die Sonne untergeht, hinter Bäumen, und dann sind da Schatten.
    Nein, sage ich, am Abend bin ich nicht mehr hinaus, am Abend saßen wir bei Tisch.
    Aha, sagt Friedrich, er lächelt. Da saßet ihr bei Tisch. Siehst du, sagt er, das wusste ich nicht, dass du bei Tische saßest.
    Wir essen oder schlafen miteinander oder gehen in die Stadt, er hat die Schatten gesehen.

    Damnatio memoriae, schreibt der Vater, abolitio nominis, der Ächtung verfallen, das sind wir füreinander.
    Die Auslöschung des Namens, lese ich, als ich mich durch Seiten klicke, die Verdammung und demonstrative Tilgung des Andenkens an eine Person durch die Nachwelt. Die Römer tilgten die Namen besonders verachteter und verhasster Personen aus den Annalen, die Bilder und Statuen, Büsten, Hermen und Münzen von Caligula, Domitian, Commodus und Caracalla wurden zerstört oder beschädigt, oder sie wurden eingezogen und in Bildnisse anderer Persönlichkeiten umgearbeitet. In Ägypten, lese ich, waren Hatschepsut und Echnaton, Tutanchamun von dieser Art der Rache betroffen. Nur wenige Abbildungen sind von ihnen erhalten und in den ägyptischen Königslisten werden ihre Namen nicht geführt. In Griechenland versuchte Herostrat seinen Namen unsterblich zu machen, er zündete, das schauderlichste Verbrechen meiner Kindheit, den Tempel der Artemis an. Fortan war es in Ephesos bei Todesstrafe verboten, seinen Namen auszusprechen, die Strafe der Göttin, nie gewesen sein.
    Aber es ist, was in der Welt ist, nicht aus ihr fortzuschaffen. An Statuen lassen sich, lese ich, Spuren von Umarbeitungen finden, unter dem Porträt des Kaisers Titus ist, immer noch, der Kopf des Nero. Herostrats Name blieb der Nachwelt erhalten. Und in den Magazinräumen in Karnak finden sich ausgehackte Darstellungen der Hatschepsut. Deutlicher vielleicht, als wenn es noch wäre, bleibt das Zerstörte erkennbar.
    Ich bin nicht der gewesen, der ich hätte sein sollen, schreibt der Vater.
    Damnatio memoriae. Ich habe den Namen des Vaters ausgelöscht, ich habe mir sein Bild aus meinem Bewusstsein gehackt. Aber das Ausgelöschte erzählt immer noch von dem, was gewesen ist.

    Der Muezzin hat gerufen, als mich der Vater geweckt hat. An deinem Geburtstag, hat er gesagt, musst du den Weg der Göttin gehen. Eine Viertelstunde später saß ich im Auto, fröstelnd, da waren noch Sterne, verblassend in einem dunklen Blau. Ich kaute an einem Stück Kuchen, das mir der Vater zugeschoben hatte, im grauen Schatten des Vediustheaters trank ich heißen bitteren Kaffee aus der Thermoskanne.
    Die alte Prozessionsstraße, sagte der Vater, führt in die Hügel. Kühl,

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