Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sommer in Ephesos

Sommer in Ephesos

Titel: Sommer in Ephesos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Schmidauer
Vom Netzwerk:
sollen. Und er fragte auch nicht.

II
    Aus nachtschwarzem Samt taucht die Stadt auf in einen rosenfarbenen Morgen. Kühle Bläue, die zittert am grauen Stein. Die Farben des Meeres, ozeangrün, ein schattiges Blau, ein Hauch von Violett, das zieht, bevor das Licht sich golden ergießt, zieht das durch die Straßen, das schäumt die Wege hoch und über den Stein, stürzt sich in die Schluchten, die sich auftürmen, fremd noch am Morgen. Das Helle und das Rosafarbene dann, von dunklen Zypressen gesäumt, duftendes Kieferngrün. Safrangelb im frühen Licht schimmert, dunkel geädert und rot und blau, der Marmor der Bibliothek. Wie wenn in Ebbe und Flut das Licht über den Marmor ginge, kommen die Farben und gehen und glühen, wenn es Abend wird, von innen aus dem Stein. Und was farbig steht zwischen den Steinen, distelviolett, malvenlila und olivenbaumgrün, königskerzengelb, so dunkel der Lorbeer; dass auf verwittertem Stein Flechten sich krallen in rostigem Braun und Rot, und Grau und Grün, ausgefranst. Nicht weiß ist die Stadt. Dass die Materie heilig ist, habe ich das gewusst. Das Geheimnis der Göttin.
    Wie ein goldenes Band lagen die Wochen vor mir. Von der Stadt ins Artemision, vom Artemision in die Stadt und wieder zurück ins Artemision, das waren jetzt meine Tage. Ich kann dich immer brauchen, sagte Jan, also ging ich mit ihm. In die Hügel auch wieder, das freiere Leben hier, sagte Martin. Im Depot beugte ich mich mit Ilse über Scherben. Es war mit ihr jetzt so, manchmal, als könnten wir befreundet sein. Was noch im Depot war: David und seine Pfeilspitzen, kleine Knöchelchen, Kinderskelette, Knochen von Tieren. Amphoren und Teller und Schalen und Samen von Pflanzen, die vor tausend Jahren geblüht hatten. Was aus dem Artemision kam, machte mich staunen. Vogelanhänger aus Bronze, geschwungene Linien, als hätte einer den Schatten eines Vogels eingefangen, der in großer Höhe flog.
    Fibeln und Nadeln, eine Miniaturschale, ein Miniaturkrug, Münzen, heiliger Müll, sagte Barbara. Skarabäen. Weiß und gelb und blau lagen sie in Huberts Hand, Glücksbringer. Ein Stück Blech, Goldblech, sehr klein, das eine nackte weibliche Figur zeigte, die Göttin, dachte ich. Das wog so leicht, als Hubert es mir vorsichtig in die Hand legte, ich wagte nicht mich zu rühren. Pferde, ein Hirsch und eine Ziege, ein Wildstier. Eine Glocke aus Bronze, ein Hinweis, sagte Hubert, auf die Anwesenheit von Nomaden im Artemision, insbesondere von Kimmerern. Nein, sagte ich, Kimmerier, wilde pferdemelkende Männer, Hubert grinste.
    Auf langen und hohen Regalen standen die Fundkisten, gestapelte Zeit. Wie das Licht in breiten Bahnen durch die Oberleuchten fiel, und das Holz schimmerte honigfarben. In Drahtschlingen war gefangen, was aus der Erde kam, auf Papier geworfen, was durch die Zeit gegangen war, verdoppelt, vervielfacht, als könnte man festhalten, was gewesen ist. Ein Flüstern ist immer, wo Dinge sind.
    Wenn der Wind heiß wehte, fuhr mir eine Hitze ins Herz hinein, luftlos. Was sonst gut war, dass mir Hubert den Korb abnahm, den ich aus der Küche geholt hatte, sein schnelles Lächeln, dass ich im Bus neben ihm saß, manchmal war das jetzt so, und er fragte mich, was sollen wir dir heute bieten?, einen Schatz vielleicht oder nur Erde und Steine und Sand? Wenn er mir das Teeglas in die Hand drückte, mein Herz war in meinen Fingerspitzen. Wenn er mit Stefan und Barbara, mit den Studentinnen den Grabungsfortgang diskutierte, aber sein Lächeln war bei mir. Wenn er mich fragte, darf ich sehen, was du gezeichnet hast, dann blätterte er meine Zeichnungen durch, Skizzen von Bäumen und Steinen, von Säulen und Störchen, Vogelschwärme, die Festung, die Moschee, kleine Figuren in einer großen Landschaft.
    Das ist schön, sagte er.
    Was sonst gut war, dass er ein paar Minuten neben mir saß, unter Eukalyptusbäumen, unter Olivenbäumen, wenn er wieder ging, hatte er kleine Türme gebaut aus Steinen und Zweigen oder Kreise gelegt aus Olivenkernen. Oder er schwatzte und erzählte mir Geschichten von früheren Ausgrabungen, über die Kollegen, du glaubst es ja nicht, sagte er, wenn ich dir das erzähle, erzähl, sagte ich. Wie er seinen Kopf schief legte, wenn er sagte, dann gehe ich jetzt wieder. Was sonst gut war, machte mir diese Tage schrecklich bang.
    Ich bin doch nicht viel mehr als eine lästige Touristin, habe ich einmal gesagt.
    Nein, hat Hubert gesagt, das bist du nicht.
    Was denn dann?
    Du, du hast einen Platz

Weitere Kostenlose Bücher