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Sommer in Ephesos

Sommer in Ephesos

Titel: Sommer in Ephesos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Schmidauer
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konnte. Hier, sagte er und wies auf eine nicht aufgerissene Fläche, hier liegen der Hofaltar und der Hekatompedos. Rechts davon waren der Kroisostempel und das Jüngere Artemision, später dann die Kirche. Er zeigte auf das Trümmerfeld, das vor uns lag und in dem ich nichts sah als Steine, die in keiner für mich erkennbaren Ordnung aus der Erde ragten, übereinander sich türmten. Die Wege zwischen ihnen waren von Fahrrillen durchzogen, und dann waren da noch Löcher, in die Erde geschnittene Rechtecke.
    Hier hast du die Tempelnordseite, sagte Hubert, da arbeitet eine andere Gruppe, und hier, wir blieben bei einer in die Erde geschnittenen Grube stehen, hier ist die Zentralbasis. Aber, seine Augen flammten auf, Hogarth hat nicht gewusst, dass noch etwas unter seiner Zentralbasis liegt. Das, er holte Luft, als wäre ihm die Brust zu eng, das ist der Peripteros, ein Ringhallentempel, möglicherweise der älteste Ringhallentempel in der griechischen Architektur.
    Historisches Schauern, sagte ich, unbedingt, sagte Hubert.
    Stefan und Barbara, die mit den türkischen Arbeitern in den Kammern standen, winkten ihn zu sich. Er sprang in die Grube, beugte sich über etwas. Er wischte über die Erde, vorsichtig, einer der Arbeiter hockte sich neben ihn, sie redeten schnell, dann kam Hubert zu mir zurück. Ich muss da jetzt weitermachen, bleib, wenn du willst. Dort drüben, er zeigte auf eine dunkelgrüne Plane, die unter einem Olivenbaum gespannt war, das ist unser Platz, Tee um zehn, du bleibst doch?
    Teatime, sagte ich, very British. Hubert grinste und ging zu den Arbeitern zurück.
    Wie am ersten Tag entzückte mich das Ritual, entzückten mich die Oliven, die Tomaten und Gurken, der Käse, die Sesamkringel, und dass wir im Freien saßen, Gänse watschelten an uns vorbei, ein Wind fuhr über das Gelände und wirbelte Staub auf. Die Geschichte der Bauten, fuhr Hubert fort, die schon vor dem Kroisostempel hier waren, die Geschichte des Kroisostempels selbst und des Jüngeren Artemisions, der späteren Nutzung als Kirche, über die Jahrhunderte wird das Bestehende in sekundärer, tertiärer Nutzung immer wieder verbaut. Hubert raufte sich das Haar, auch dass ich diese Bewegung kannte, entzückte mich. Das ist unglaublich spannend, sagte Hubert, reichlich kompliziert auch, du brauchst Jahre, bis du halbwegs einen Durchblick hast. Und jeder Stein kann dich vor neue Anforderungen stellen, es ist ein Rätselspiel ersten Grades, er lachte.
    Mit dem Peripteros sind wir im Zentrum des Kultes angelangt, sagte Hubert. Der Ringhallentempel hatte im Innern eine offene Cella, den eigentlichen Kultraum. In der Cella befand sich ein Baldachin, das war der Standplatz für das Kultbild, das Xoanon. Hier war das Allerheiligste, hier war die Göttin.
    Ich sah über die aufgerissene Fläche. Über Erde und Steine, über Planken und Rohre, über Lastwägen und einen Bagger, der gelb am Rand der Ausgrabung stand, sah ich zu der Grube.
    Das kann einem schon den Atem rauben, sagte Hubert leise.
    Nach dem Mittagessen, während die Studentinnen im Schatten dösten, Barbara und Stefan waren ins Grabungshaus gefahren, ging Hubert mit mir noch einmal durch das Gelände. Am Ende unseres Rundgangs standen wir wieder vor der Ausgrabung des Ringhallentempels. Hubert starrte in die Grube, in der ockergelb uralte Mauern aus dunkler Erde ragten. Immer habe ich hier sein wollen, sagte Hubert, genau hier, wo es angefangen hat. Das ist mein Ort, verstehst du das, Ana? Hubert bückte sich. Es ist auch der Ort deines Vaters, setzte er hinzu. Er sollte hier sein.
    Bis zum Abend saß ich unter Eukalyptusbäumen. Busladungen von Touristen kamen, die blieben im Schatten der Olivenbäume auf der Anhöhe stehen. Manchmal wanderten vereinzelte Touristen, die die Absperrungsbänder ignorierten, über das Gelände, bis sie von einem Archäologen wieder verscheucht wurden. Zum Nachmittagstee hatte Hubert mich unter die Plane gewinkt. Er saß bei den Studentinnen, die lachten laut, wenn er etwas sagte. Ich ging dann wieder unter die Eukalyptusbäume, dort hat mich Hubert abgeholt. Wir fahren, sagte er und streckte mir die Hand entgegen, sie war warm und staubig, und zog mich hoch. Als wir im Grabungshaus ankamen, stand der Vater in der Auffahrt vor dem Büro. Wenn du willst, sagte Hubert, kannst du ja wieder einmal vorbeischauen, und ging mit Barbara und Stefan und den Studentinnen. Ich hätte dem Vater gerne gesagt, was ich gesehen hatte, aber wie hätte ich es ihm sagen

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