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Sommer in Ephesos

Sommer in Ephesos

Titel: Sommer in Ephesos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Schmidauer
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hineinwachsen wollte, dort hat mich dann der Vater gefunden. Was machst du denn, Anastasía, was soll denn das werden, hm. Als wäre ich wieder zehn, klammerte ich mich an ihn.
    Ich weiß nicht, schluchzte ich, ich will nicht, dass wir so sind miteinander, ich hab das nicht gemeint, was ich gesagt habe.
    Ist ja gut, sagte der Vater, jetzt beruhige dich, Anastasía, sagte er, es ist ja alles gut.
    Nein, heulte ich auf, ist es aber nicht, du sollst mit dem Hubert nicht so sein.
    Der Vater war ganz ruhig, er hatte seine Arme um mich gelegt, mit seinen Händen klopfte er auf meinen Rücken, sehr sanft, Baby, dachte ich, ich bin doch kein Baby mehr, und wollte es aber doch, wie ein Baby sein. Irgendwann richtete ich mich auf, ein wenig verlegen jetzt, der Vater gab mir ein Taschentuch, wie die Bibliothek leuchtete, durch Tränenschleier, wie sie glühte in der Nachmittagssonne.
    Ist dir das so wichtig, mit Hubert?
    Ja, nickte ich.
    Was willst du denn von ihm?
    Gar nichts, sagte ich, und meinte es vielleicht auch. Mit ihm reden.
    Warum?, fragte der Vater.
    Ich weiß nicht, sagte ich, so. Ich habe ihn immer so gemocht, warum soll ich nicht mit ihm reden können.
    Das kannst du ja, sagte der Vater. Ich kann dir das ja auch gar nicht verbieten.
    Nein, sagte ich. Ich will aber, dass du es weißt. Und dass du nicht so bist zu ihm.
    Aber das, sagte der Vater, und ich sah, was er zurückhielt, dass es mich nicht wieder ansprang, aber das geht nur mich etwas an.
    Du sollst, sagte ich, und es lief mir nass übers Gesicht, du sollst zu mir nicht anders sein, nur weil ich mit ihm rede.
    Das werde ich nicht, sagte der Vater. Aber, sagte er nach einer Weile, in der wir beide auf das geschaut hatten, was vor uns lag, disteliges Gestrüpp und dahinter, wie im Gold errötend, Marmorblöcke, die sich auftürmten in ein Blau, aber du täuschst dich in ihm, das muss ich dir doch sagen.
    Ich will nur mit ihm reden, sagte ich.
    Ich vertraue ihm nicht.
    Mir kannst du vertrauen, sagte ich und wusste nicht, was ich damit versprach.
    Am Abend, noch vor dem Essen, bin ich zu Hubert gegangen. Er stand unter der Tamariske, mit anderen, dann komme ich morgen zu dir, sagte ich, zu laut wieder und als hätten wir ein Gespräch unterbrochen gehabt, das ich jetzt fortsetzte, und du zeigst mir, was ihr gefunden habt. Ich wartete, bis er nickte. Die Röte, die über sein Gesicht ging, bis morgen also, sagte ich, und setzte mich zum Vater und zu Ilse, die mich anlächelte.

    Martin hat geschrieben. Eine Mail war in meiner Post, von Martin, Martin Weber, ganz scharf sehe ich ihn, wie er gewesen ist vor dreizehn Jahren, Martins Lächeln.
    Menschen wie dein Vater, schreibt er, haben aus mir einen gemacht, der überleben kann. Weil er nicht das Verwirrte und Unfertige gesehen hat, sondern das, was dahinter war, was sich gequält hat, um ans Licht zu kommen. Geburtshelfer fast, schreibt Martin. Ich weiß nicht, ob ich ihm das je gesagt habe, es ist ja immer eine Scheu, kennst du das?, vor dem anderen Menschen.
    Du bist ihm sehr ähnlich, aber das weißt du wahrscheinlich. Du musst dich nicht um deinen Vater fürchten. Die Erde ist für ihn immer etwas Freundliches gewesen.
    Wäre ich irgendwo in Europa, schreibt Martin, würde ich zum Begräbnis kommen, aber ich bin im Irak. Das ist eine komplizierte Sache hier, das kannst du dir denken, ich kann auch nicht so einfach weg.
    Es ist das Leben so ein Geschenk hier wie nirgends, schreibt er. Unter dem Himmel, der hier ist, denke ich an dich und an deinen Vater, wie er in den Hügeln ist und in seiner Stadt.

    Am dritten Tag der fünften Woche war ich das erste Mal mit Hubert im Artemision.
    Hier haben Wood und Hogarth gegraben, sagte er versonnen. Die Engländer, sagte er, haben 1905 zugeschüttet, was sie ausgegraben hatten. Wir haben das Kernstück der alten englischen Ausgrabungen, die sogenannte Zentralbasis, als Erste wieder so gesehen, wie die Engländer sie hinterlassen haben.
    Historische Schauer, sagte ich, sollten mich jetzt heilige Schauer überwallen, oder?
    Historische Schauer, sagte Hubert, wären durchaus angemessen. Dazu kommt noch, dass wir aufgrund der extrem guten Witterungsverhältnisse noch unter das Hogarth’sche Grabungsniveau gehen können. Seit vielleicht dreitausend Jahren hat das hier keiner mehr gesehen. Also ja, unbedingt sollte es dich jetzt schauern.
    Hubert führte mich über das Ausgrabungsgelände, er zeigte mir auf Plänen, wie ich mir die Anlagen in die Landschaft schreiben

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