Sommer in Ephesos
auch in der Kirche, die später hier auf der Basis des Tempels errichtet wurde. Die Wiederverwertung der Geschichte, sagte der Vater und lachte, als hätte ich verstehen müssen, worüber er lachte. Er zeigte auf Steine, auf Marmorblöcke, wir umkreisten, was in der Mitte lag, wo die Erde aufgerissen war, Mauern, die sich gelb aus dunkler Erde erhoben.
Inschriften, sagte er, Reliefs, als hätte er nicht ausgelöscht, der Hekatompedos, sagte er, der große Altar, und die Kultbasis dazu, was aufgewallt war in Hubert. Es könnte sich, sagte er, um einen Apollontempel handeln, das frühe Nebeneinander mehrerer Gottheiten. Wieso bist du so mit ihm, sagte ich. Dass der Marmoraufbau des Hekatompedos in den Fundamenten des Kroisostempels verbaut wurde, fuhr er fort, wieso bist du so mit ihm, ich will es wissen. Was hat er dir getan, dass du so bist, hassenswert. Da drehte er sich endlich um. So, sagte er, hassenswert.
Sag es mir, sagte ich, als sähe ich ihn zum ersten Mal.
Plötzlich und mit einem Schrei riss der Vater an einer Planke, die in der Erde steckte, und schleuderte sie ins Gelände. Noch einmal schrie er, er ballte die Fäuste. Müssen wir, keuchte er schwer, müssen wir wirklich, jetzt, hier, über diesen Menschen reden. Ist es nicht genug, dass ich ihn tagtäglich sehen muss, dass ich ihn seit Jahren ertragen muss, eine Verhöhnung ist das, was weißt denn du. Er hat mir meine Arbeit gestohlen, er hat, der Vater keuchte, was weißt denn du. Und glaubt immer noch, er könnte sich wieder in meine Gunst einschleichen. Muss ich, sagte er, muss ich jetzt wirklich mit meiner Tochter über diesen Menschen reden. Als wäre ich der Schuldige, muss ich das?
Das ist lächerlich, sagte ich.
Lächerlich, wiederholte er.
Wegen einer Dissertation, wegen einer so alten Geschichte! Das glaub ich einfach nicht, rief ich, das hast du doch nicht not! Oder, oder bist du es ihm neidig, ist es das, dass er jung ist, dass er gut ist, ist er besser als du? Und das erträgst du nicht, dass einer, der einmal dein Schüler war, besser ist als du, das ist so erbärmlich!
Ich muss mich nicht, schrie der Vater, ich muss mich nicht vor meiner eigenen Tochter rechtfertigen! Du hast ja keine Ahnung, also red nicht, und misch dich nicht in meine Angelegenheiten ein!
Ich warf die Hände in die Höhe. Warst du immer so verbohrt, rief ich, warst du zur Mutter auch so verbohrt, kein Wunder, jetzt schnaubte ich. Kein Wunder, dass sie weggegangen ist, man kriegt ja keine Luft neben dir, wenn du so bist. Du bist lächerlich, rief ich, ein lächerlicher, verbohrter alter Mann.
Und wie dumm bist du, sagte der Vater, wenn du es dir nicht denken kannst, warum er auf einmal mit dir redet. Dein kostbarer Hubert, der dich vier Wochen nicht angeschaut hat, vier Wochen lang warst du Luft für ihn, weil er ja mit jeder Frau ins Bett musste, die zu kriegen war. Das wird dir ja nicht entgangen sein, keuchend holte der Vater Luft. Und du denkst, seine Augen wie Steinmurmeln, was denkst du dir, keuchte der Vater, dass er sich für dich interessiert, weil du zwei Sätze mit ihm gewechselt hast, und auf einmal bist du ihm wichtig, das glaubst du doch nicht im Ernst. Du bist für ihn im besten Fall ein hübsches Spielzeug, und dass er mich trifft damit, das weiß er. Du glaubst doch nicht wirklich, es geht um dich, Anastasía, wie dumm bist du eigentlich!
Der Hass des Vaters war mich angesprungen im Artemision und hatte mich ganz leer zurückgelassen. Am nächsten Tag fuhr ich mit Jan nach Ephesos. Willst du arbeiten?, fragte er mich, nein, sagte ich, nur in die Stadt. Der Vater saß mit Ilse, die mir zuwinkte, beim Frühstück. Ich setzte mich auf die Veranda. Hubert stand vor mir und die Grabungshauskatze schlich über den Hof, von der Tamariske rieselten Nadeln auf den gepflasterten Boden. Jan kam vorbei, nimmst du mich mit?, fragte ich und ließ Hubert stehen. Wenn du was brauchst, sagte Jan, nein, sagte ich, wenn du vermessen willst, sagte er, ich zuckte die Schultern, oder reden, Tee um zehn, Mittagessen um zwölf, rief er mir nach, oben bei den Hanghäusern. Wo wollte ich hin in der Stadt?
Das Schreckliche, das ich zum Vater gesagt hatte. Dass ich es nicht zurücknehmen konnte. Dass ich es so gemeint hatte, und gar nicht, gar nicht, wie hatte ich das sagen können? Hubert war nicht in meinen Gedanken, oder nur, als würde ich Abschied nehmen.
Irgendwo hinter der Bibliothek, in einem Gestrüpp unter einem Feigenbaum, an einen Stein gelehnt, in den ich
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