Sommer in Ephesos
dann war mir der Atem weg und ich konnte nur noch flüstern, aber wenn du sagst, du willst mit den anderen Frauen sein, dann verstehe ich das auch, dann ist das eben so, dann gehe ich.
Hubert stand bewegungslos, das Haus lag still, ich nickte, weil ich etwas verstanden hatte. Ich würde also durch den Gang, die Stiegen hinunter und über den Hof gehen, die Straße hinunter und an der Mauer entlang zurück in mein Hotel, in mein Hotelzimmer. Es war nur schwierig, den ersten Schritt zu machen, aber ich hatte verstanden, was passiert war und was ich tun musste, und ich würde es auch tun, gleich. Wie Hubert in der Tür stand, das wollte ich mir noch einprägen, bewegungslos, und wie er sein Gesicht vor mir verschloss. Ich musste jetzt den ersten Schritt machen.
Du und dein Vater, sagte Hubert, ich bin euch nicht gewachsen. In seiner Stimme war etwas, aber ich konnte nicht darüber nachdenken, weil mich Hubert in das Zimmer zog, und sein Mund war auf meinem Mund, etwas Wütendes war darin, wie er mich küsste und wie seine Hände über meinen Körper fuhren.
Später, als er ruhiger war, suchte ich in seinem Gesicht sein schnelles Lächeln.
Um fünf Uhr hat der Muezzin gerufen, Hubert fuhr hoch, ich muss gehen, sagte er. Dann, als er sah, dass er in seinem Zimmer war, halb im Schlaf schon hat er mich wieder zu sich gezogen.
Als ich das nächste Mal aufgewacht bin, war es hell im Zimmer. Hubert pustete in mein Haar, ich muss hinunter, sagte er, es ist Samstag, protestierte ich, ich wusste aber nicht, sagte Hubert, dass du heute bei mir sein würdest, richtig? Ich treffe mich mit dem Team um halb neun, wir arbeiten bis halb eins, dann steh ich dir zur Verfügung.
Später bin ich hinuntergegangen und habe mir aus der Küche Tee geholt und einen Kuchen, ich habe mich auf die Terrasse in den Hof gesetzt, da war es ruhig. Die Grabungshauskatze hat sich an meinen Füßen gerieben. In der Tamariske haben Vögel gelärmt, Jan ist aus dem Büro gekommen, bist du nicht in Troja?, hat er gefragt, ich habe den Kopf geschüttelt.
Der Samstag war grün und golden und blau. Wir sind ins Land hineingefahren, golden verbrannte Hügel, Weiden dann und Schilf und Eukalyptusbäume, ein Dorf in den Bergen. Wir lagen im Schatten eines Baumes, irgendwo, in einer Mulde, wo kein Mensch war. Die Zikaden schrillten, wie sie es den ganzen Sommer getan hatten, am Himmel türmten sich hohe weiße Wolken und durch die Blätter rieselte das Licht.
Es wird Herbst, sagte Hubert. Ich stützte mich auf den Ellbogen, ja, sagte ich, woran erkennst du das?
Die Touristen werden weniger und im Grabungshaus reden sie davon, was sie tun werden, wenn sie wieder zu Hause sind.
Was wirst du tun?, fragte ich.
Hubert blinzelte ins Sonnenlicht. Dich anrufen, sagte er. Dich sehen. Mit dir ins Kino gehen. Ich freue mich darauf, mit dir ins Kino zu gehen. Vielleicht setze ich mich mit dir in eine Vorlesung und danach essen wir grauenhaft schreckliche Sachen in der Mensa. Mit dir spazieren gehen, mit dir schlafen, sagte er, immer mit dir schlafen. Seine Hände rutschten unter mein Shirt und sein Kopf glitt tiefer, jetzt nicht, sagte ich. Nein?, fragte er, in seinen Augen sprang ein Funke auf. Nein, sagte ich. Weißt du nicht, dass ich prüde bin, die Mutter, fiel mir plötzlich ein, hatte das immer gesagt, meine kleine prüde Tochter.
Prüde, sagte Hubert, so so.
Im goldenen Licht des Abends sind wir zurückgefahren. Im Grabungshaus war es still, und als dann die Nacht hereingefallen ist, war es ein langes ruhiges Lieben, als wüsste ich, wer ich war. Zärtlich war auch der nächste Tag. Morgen sage ich es dem Vater, sagte ich zu Hubert. Morgen also, sagte er.
Jahre nach diesem Sommer bin ich Ilse einmal begegnet, zufällig. Ich sah ihr Gesicht, wie es sich in einem Schaufenster spiegelte, und erschrak. Das Gesicht im Fenster sagte meinen Namen, als ich mich umdrehte, erkannte ich sie. Sie muss mein Erschrecken gesehen haben, den leisen Ekel vielleicht. Magst du auf einen Kaffee gehen?, sagte ich. Hatte sie meinen Widerwillen gespürt oder wollte sie diese zufällige Begegnung so wenig wie ich? Nein, sagte sie, ich muss noch wo hin.
Was machst du so?, fragte sie nach einem Schweigen. Architektur, sagte ich, schön, sagte Ilse, anspruchsvoll. Ich muss weiter, sagte Ilse. Wie geht es dem Vater?, fragte ich. Ich weiß es nicht, sagte Ilse. Was ungesund weiß war in Ilses Gesicht, wie durchsichtig und blau, die dünne Haut, wo sie nicht knotig war, fleckte jetzt
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