Sommer in Lesmona
Donnerstag zu überlegen. Nachher fahren wir alle
zusammen nach Greenhill hinaus, um Ostern draußen zu sein. Bercks bleiben dann
mit mir und den Kindern noch etwas länger draußen. Percy muß Dienstag nach
Ostern ins Geschäft zurück. Die Aussicht, ein paar Tage draußen zusammen zu
sein, machte uns schon froh! Ja, liebste Bertha, wegen so entsetzlicher
Komplikationen mußte ich nach London reisen!! Nun schreibe mir, was ich tun
soll.
In großer Liebe
Deine Matti
Greenhill, April
(Kent)
Liebste Einzige!
Nun ist Ostern hinter uns, und ich will
Dir alles erzählen. Inzwischen kam ein erschütternder Brief von Mama — sie
ahnen ja natürlich nichts von Percy und können deshalb die Lage nicht
übersehen. Sie schreibt, durch Carly und Georg hätten sie soviel Kummer und
Sorgen gehabt, und nun sollte ich — ihre einzige Tochter — durch Wankelmut oder
Launen ihnen keinen neuen Kummer bereiten. Sie bittet mich auch, ihr doch offen
über alles zu schreiben. Dann kam Dein Brief vom 11ten, den Du gleich nach
Deiner Ankunft in Hannover geschrieben hast, und der Deines John, und alle
diese Briefe kamen noch nach London, und Onkel Christian brachte sie Sonnabend
vor Ostern mit hier heraus. Du schreibst, Du merktest, daß Percy und ich jetzt
absacken und den Kopf verlieren und daß Du krank bist vor Angst, daß wir jetzt
verkehrte Wege gehen. Mein lieber Engel, ich will ja den richtigen Weg gehen.
Für mich ist die Frage diese: wenn ich Rudi abschreibe, kann ich nicht in
Bremen bleiben, sondern ich gehe wahrhaftig hier gleich zu Percy, und Papa wäre
dann doch gezwungen, uns bald heiraten zu lassen, - oder: es bleibt alles beim
alten. Denn: Rudi verabschieden, den ganzen entsetzlichen Krach haben, weiter
bei den Eltern irgendwo leben und Percy hier allein in London sitzenzulassen,
das war inzwischen für mich unmöglich geworden. Ich habe nachts auf den Knien
gelegen und zu Gott gefleht, mir den rechten Weg zu zeigen und mir ein Zeichen
zu geben, was ich tun soll. Und dieses Zeichen kam nun mit Deinem letzten
Brief. Nicht Mamas ergreifender Brief war es, der mir den Weg zeigte,
denn sie ahnt ja nichts von Percy. Aber Du schreibst mir: «Du wärest einer
solchen Katastrophe — einem Skandal nicht gewachsen, Du würdest die
langen Tage allein sein und Bercks und sonst keiner käme mehr zu Dir,
wie wolltest Du, von allen gemieden, so allein leben — in London - zuerst mit
sehr wenig Geld, Du — und nur in den Nächten würdet Ihr glücklich sein — und — soll
man sich für die Nächte heiraten?» Diesen Satz kann ich jetzt auswendig und
sage ihn mir immer vor. Er sagte selbst, der Gedanke, daß ich einmal bei ihm
krank werden könnte, daß niemand zu mir käme und daß eines Tages ich durch ihn
unglücklich sein würde, hätte ihn schon halb verrückt gemacht.
Nun will ich aber zurückgreifen. Am
letzten Donnerstag sind wir herausgekommen, und ich kam hier in ein Paradies,
der Garten in einer Frühlingsblüte, wie ich noch keine gesehen, das Haus ganz
wunderbar, und Percy in meiner Nähe. Allein dies Gefühl beglückte mich schon.
Sein Zimmer war - glaube ich — über meinem, und dann hörte ich ihn morgens «An
Silvia» singen. Es war eine schmerzliche Lesmona-Stimmung. Am Sonnabend vor
Ostern zogen wir alle in die kleine Kirche, ein großer Wagen mit Körben voll
daffodils (Osterblumen) fuhr uns voraus, aus allen hiesigen Gärten gepflückt,
und wir schmückten, auf Leitern stehend, die ganze Kirche. Ostersonntagmorgen
waren wir dann alle in der Kirche, und sie sah ganz unwahrscheinlich schön aus
im Schmuck dieser Frühlingsblumen. Die englische Predigt konnte ich nicht
verstehen, aber ich habe mehr denn je gebetet.
Nachher war großes Ostereiersuchen im
Garten, Percy gab mir heimlich ein ganz bezaubernd schönes Osterei von Füller,
und der Ostermontagmorgen brachte uns das große Glück: von 10-1, also drei
volle Stunden, konnten wir allein unten im Garten sein. Onkel Christian und
Tante Ellen fuhren in der Nachbarschaft herum, Greta und Edith waren elend,
Mary mit den Kiemen oben im Garten und Percy und ich allein unten in der Sonne
auf der Bank. Hinter uns das Gehölz und vor uns die Weide mit den Pferden. Ich
hatte ihm Mamas, Deinen und John seinen Brief mitgenommen. Wohl war er furchtbar
erschüttert, aber er sieht doch jetzt, wie das Schicksal alles entscheidet und
daß ich das tim muß, was Du schreibst, weil er fühlt, daß ich keine Kraft habe,
eine Katastrophe auf mich zu nehmen, und
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