Sommer in Lesmona
reden wie kleine Vögel. Das ganze Zimmer ist auf Rosa
abgestimmt. Nurse ist stets schneeweiß angezogen.
Tante Ellen ist bildschön und enorm
elegant. Es ist wunderbar, mit ihr in die großen Läden zu fahren und
einzukaufen. Heute soll ich wieder mit ihr in das Kensington-Museum, was ich
durchaus nicht schätze, aber dann freue ich mich sehr auf die drei Schlösser:
Windsor, Hampton Court und St. James’ Palace, die wir nächster Tage besichtigen
wollen. Aber es ist alles gedämpft wegen des Kummers um Percy, und ich leide
sehr um ihn.
In inniger Liebe
Deine Matti
London, Mai 95
Liebe einzige Bertha!
Tausend Dank für Deine Briefe. Du hast
Dich doch jetzt wieder etwas beruhigt, wie mir scheint, aber in Percy und mir
ist noch alles in Aufruhr.
Gestern machte ich mit Tante Ellen
Besorgungen, und während sie in einem wunderbaren Ledergeschäft eine
Reisetasche aussuchte, kaufte ich an der anderen Ecke ein ganz bezauberndes
Portefeuille aus braunem Krokodilleder für Percy. Papa hat mir zum ersten Mal
kein festes Geld zugemessen, ich kann einfach durch Onkel Christian abheben
lassen. Rudi schreibt aus Venedig, und seine Briefe bedeuten mir nur insofern
etwas Gutes, als ich ihn weit weg weiß. Er kündigt mir jetzt schon an, daß er
später mindestens ein Mal im Jahr nach Italien müßte und daß diese
Studienreisen für mich zu anstrengend sein würden. Wenn ich jetzt an meine
Verlobung denke und wie es möglich war, daß ich «Ja» sagte, so muß ich immer
wieder an die Geschichte mit dem Hummer denken: die momentane Verlockung,
dieser Charakterfehler ist mein Schicksal geworden.
Heute fuhr Tante Ellen mit mir in den
Hyde-Park mit ihrem schönen Wagen und den ganz herrlichen Pferden. Jetzt ist
das gesellschaftliche Leben erwacht, weil die season beginnt. Wir sind abends
sehr oft eingeladen. Aber was nützt es, daß ich Dir fremde Namen nenne! — Wenn
wir dann nach Hause kommen, oft sehr spät, ist unten immer auf dem Tisch ein
Réchaud mit heißem Cacao und Cakes. Oft sehen Bercks mich besorgt an. Ich bin
sehr dünn geworden.
In großer Liebe
Deine Matti
London, Mai 95
Montag
Liebe einzige Bertha!
Gestern war er wieder hier, er sieht so
elend aus und jammert mich entsetzlich. Wir hatten ein ganz seltenes Glück.
Bercks waren mit vier Kindern bei Tante Ellens Verwandten eingeladen. Greta
brummte und ging weg. Percy und ich hatten nur Tee mit ihr getrunken und waren
dann allein im kleinen drawing-room. Er überlegte sich immer noch und quält
sich schrecklich damit, ob ich nicht doch zu diesen Allans ziehen soll.
Wenn er mich dann so weit hat, daß ich schwanke, fällt mir Dein Brief wieder
ein. Ich sagte ihm gestern, er solle sich nur nicht denken, daß Papa mich in
London lassen würde; er würde mich sofort hier abholen und mich in die Schweiz
bringen, und Papa würde ihm eine entsetzliche Szene machen. Es war ganz
bezaubernd, wie Percy da wegwerfend sagte: «Das wäre mir ganz einerlei, ich
würde mich fast freuen, wenn ich deinetwegen so etwas über mich ergehen lassen
könnte!» Aber die Überzeugung, daß Papa mich hier gar nicht lassen würde,
machte ihm auch Gedanken. So siegt doch immer mehr bei uns beiden die kalte
Vernunft, und ich weiß, daß Du aufatmest. Für mich ist immer wieder das ganz
große Glück, daß er selbst meine Lage erkennt, daß er mir nicht mehr zürnt, und
er sagt selbst oft: «Ich kann die Verantwortung nicht tragen.» Nun sind es noch
zwei Sonntage und dann das furchtbare Nichts. Du mußt mir dann beistehen in
aller Not.
Es küßt Dich und John
Deine Matti
London, Montag, Mai
Liebe liebste Bertha!
Gestern war beim ersten Frühstück etwas
sehr Komisches. Jetzt wird die Große Oper Covent Garden für die season
eröffnet, und Bercks wollen mich gern dahin nehmen. Sie überlegten nun, wen sie
mitnehmen sollten, da Greta und Edith noch zu jung wären. Ich schlug Leni von
P. vor, die ich sehr liebe, aber die wohnt so sehr weit weg. Da ruft Mary:
«Nehmt doch Percy mit, er hat sich am Ostermontag mit mir vertragen.» Ich wurde
sehr rot. Tante Ellen sagte: «Margalein, wenn du das willst, wäre das natürlich
das Beste, denn ihn brauchen wir nachher wenigstens nicht mehr nach Haus zu
bringen.» Als Percy mittags kam, wurde er eingeladen, und Onkel Christian will
nun vier Plätze bestellen.
In Deinem letzten Brief fragst Du, wie
Percy und ich uns meine «Übersiedlung» zu Allens überhaupt vorgestellt hätten.
Ob ich fluchtartig mit meinem
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