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Sommer in Lesmona

Sommer in Lesmona

Titel: Sommer in Lesmona Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalene Marga; Pauli Berck
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seinen Zangen
ins Herz und sagte: «Da sitzt dein Charakterfehler.» —
     
     
     
    Brief von Bertha Deneken
    an Marga Berck
     
     
    Hannover, 22. Januar 96
    Arme süße Matti!
    Was ist nun wieder alles über Dich
weggebraust! Gott gebe, daß Du inzwischen wieder zur Ruhe gekommen bist. Nun
ist es gut, daß Du in etwa 14 Tagen wieder zu uns kommst! Dann setzen wir Dich —
wie immer — zwischen uns aufs Sofa, Du redest Dir die Seele frei, und wir
trösten Dich mit unserer Vernunft und mit unserer Liebe! Und dann wollen wir
auch oft Hummer essen, damit Du Dich mit diesen guten Tieren wieder befreundest
und nicht mehr träumst, daß sie Dich ins Herz kneifen!
    Du mußt doch selbst sagen, Matti, daß
in den 1½ Jahren Deiner Verlobung mit Rudi das Schicksal Dich immer
wieder zu ihm gedrängt hat! Denke mal an London, wo am selben Tag der
Brief Deines Vaters bei Dir ankam, an dem Du den Brief an ihn einstecken
wolltest mit der Nachricht, daß Du Deine Verlobung mit Rudi lösen wolltest.
Matti, wie gut, daß Pastor Portig verreist war!! Was hätte der arme stille Mann
dazwischen gesollt, der sich doch sofort dem Willen und der Ansicht Deines
Vaters gebeugt hätte! Und Matti, sei mal gerecht: es wäre ja auch für Deine
Eltern ein furchtbarer Schock gewesen, wenn sie plötzlich erfahren hätten, daß
Du eigentlich seit Deiner Verlobung immer an Percy dachtest. Wie sollen
diese ahnungslosen Alten das alles begreifen. Und Percy ist 23, und das ist doch auch sehr jung. Wenn ich nun alles zu Ende denke, was aus dieser Szene
zwischen Deinem Vater und Percy geworden wäre — entweder: nach einem unausdenkbaren
Krach wäre doch vielleicht aus Vernunft und Konvention letzten Endes alles beim
alten geblieben, oder: es wäre nach einem noch viel schlimmeren
Krach die Entlobung mit Rudi erfolgt. Jedenfalls aber keine Heirat mit
Percy. Dann wärst Du sofort in die Schweiz verfrachtet, und da hättest Du dann
in Verzweiflung vegetiert— — —
    Dann hätten die fünf Jahre Wartezeit
erst begonnen, vor denen Du von Anfang an solche Angst hattest. — Allerdings
nehme ich an, daß Percy Dich vorher heimlich abgeholt und in London oder Gretna
Green ohne Papiere geheiratet hätte. Er ist ebenso wahnsinnig verliebt wie
stolz, und er würde nie von Deinem Vater Geld genommen haben, nachdem
dieser sich gegen Deine Heirat mit ihm gesträubt haben würde. Er schrieb mir
das selbst mehrere Male. Die Folgen eines solchen Skandals, wie man es doch
nennen muß, hätten Dich einfach gebrochen! Die verzweifelten Briefe Deiner
Eltern oder ihr Schweigen — dazu Deine Verlassenheit in London und vor
allem die Tatsache, daß Du, gerade Du, weder körperlich noch seelisch
solcher Katastrophe gewachsen wärest. Du bist seelisch und körperlich so
behütet worden und kannst schon jetzt die Aufregungen nicht mehr ertragen!
Vergiß nicht, wie zärtlich Deine Eltern Dich liebten, und wie sehr Du sie
wiedergeliebt hast. Sie fühlen sicher auch die Dunkelheit, die Dich von ihnen
trennt, und können nicht begreifen, wer die Schuld daran trägt. Schiebe nicht
die Schuld auf Deinen Vater, sondern suche den Grund in schicksalhaften
Mächten. Da ist irgendeine Macht, die Dich an Rudi kettet, und das fühlt Percy
auch!! Er hat es von Anfang an gefühlt. Vielleicht schon manches Mal in
Lesmona, wenn er solche plötzliche Angst vor der Zukunft hatte! Du darfst nie
Percys heiße Liebe mit Rudis Liebe vergleichen. Jetzt höre ich, wie Du
schreist: «Nicht Liebe, sondern Zuneigung.» Also gut. Du kannst nie zwei
Menschen aneinander messen, denn wir sind alle so verschieden. Percy
liebt Dich mit dem ganzen Elan seiner Jugend, und dazu hat er noch ein sehr
leidenschaftliches Temperament. Das hat eben Rudi nicht, und Du darfst von ihm
nichts erwarten, was er nicht zu geben imstande ist. Mein John sagt mir auch
nie so zärtliche Dinge, wie Percy sie Dir sagte, und ich erwarte es auch nicht,
weil er eben anders ist.
    Ganz sicher kommt im späteren Leben
noch viel Schönes zu Dir. Denke dann mal an mich, ob ich recht habe! Ein
Mädchen wie Du — und später, wenn Du noch reifer sein wirst, eine Frau wie Du —
das ist doch ganz ausgeschlossen, daß Du nicht irgendwo noch Dein Glück
findest. Und sollte Rudi wirklich auf die Dauer blind sein und nicht erkennen, wie
Du bist, so erkennt es eben ein anderer. Liebe süße Matti, sei nicht so
hoffnungslos. Ich habe eben an Percy geschrieben und hoffe, daß mein Brief ihn
beruhigt. Quäle Dich nicht mit Selbstvorwürfen —

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