Sommer in Venedig
gespült und war dann von Ariana noch mit den
Resten des Mittagessens versorgt worden. Wobei in einem Luxushotel selbst
Essensreste noch als Delikatessen zu bezeichnen waren.
Rebecca dachte an die Stunden zuvor. Ohne
Probleme hatte Gregorio sie zur Rialtobrücke geführt. Doch zuvor lud er sie in
eine Gelateria ein, die einem Bekannten gehörte und die seiner Meinung nach das
beste Eis Venedigs herstellte. In der Tat schmeckte es köstlich. Gregorio
offenbarte ihr, dass er in seinem Wohnbereich über ein eigenes Atelier verfügte.
Er lud Rebecca ein, irgendwann einmal seine Zeichnungen dort anzusehen.
Nun fragte sie sich, wie es möglich sein konnte,
dass seine Eltern ihn in aller Öffentlichkeit einen Nichtsnutz schimpften. Wer
so eine Gabe besaß, der konnte nicht überflüssig sein. Ausgeschlossen! Je mehr
sie darüber nachdachte, desto wütender machte sie das Thema. Ihre Mutter wäre
unendlich stolz auf sie. Ja, wenn sie es sich genau überlegte, dann war ihre
Mutter stolz auf sie, auch ohne dass sie bisher irgendetwas Außergewöhnliches
vollbracht hatte. Leider hatte sie sich heute nicht getraut, Gregorio auf
dieses Thema anzusprechen. Sie wollte den glücklichen Moment, den sie beide
erlebten, nicht zerstören. Doch nun rumorte der unschöne Gedanke allein in
ihrem Kopf herum. Sie verdrängte ihn und würde zu gegebener Zeit mit Gregorio
darüber sprechen. Vielleicht.
Weil sie gerade an ihre Mutter dachte, schrieb
sie ihr noch eine Gute-Nacht-SMS und schloss die Augen.
Um Punkt sechs Uhr morgens war sie wach und
ausgeschlafen. Die Sonne lachte vom Himmel, als Rebecca die Vorhänge aufzog.
Ein paar Möwen kreischten in der Ferne und erinnerten daran, dass das Meer
nicht weit war. Ans Meer wollte sie auch noch, unbedingt!
Für den heutigen Tag hatte sie einen Ausflug auf
die andere Seite des Canale Grande geplant, denn auch dort wimmelte es von
Kirchen und Museen.
Nach dem Frühstück packte sie abermals ihren
Rucksack und machte sich auf zum Anleger, um ein Vaporetto zu erwischen.
»Buongiorno, piccola!«, hauchte eine bekannte
Stimme in Rebeccas Ohr. Unwillkürlich erschauderte sie und ihr Herz machte
einen Sprung, bevor es wieder heftig in ihrer Brust zu schlagen begann. Er
umfasste von hinten ihre Taille und drehte sie zu sich um. Er küsste ihre
Wangen.
»Ciao, Gregorio«, krächzte Rebecca und musste
sich räuspern, damit er die Flut an Gefühlen, die er soeben in ihr ausgelöst
hatte, nicht bemerkte.
»Was tust du schon so früh hier draußen? Ich
dachte, Taugenichtse würden mindestens bis mittags schlafen?«
Die steile Falte, die sich auf seiner Stirn
bildete, zeigte ihr, dass Gregorio diesen Scherz nicht witzig fand.
»Wer sagt das?«, fragte er.
Rebecca öffnete den Mund, um sich zu
entschuldigen, aber Gregorio verschloss ihn einfach mit einen Kuss.
»Nein, sag‘ nichts. Ich weiß es auch so. Lass uns
an etwas anderes denken. Lass uns etwas Schönes tun.«
Rebecca war so schwindelig von dieser Geste, dass
sie ohnehin nichts sagen konnte. Also nickte sie stumm.
»Ich bin auf dem Weg zum Blumenmarkt. Montags
stelle ich die Sträuße für die Woche zusammen. Möchtest du mich vielleicht
begleiten?«
Und ob sie wollte! Aber das musste er nicht
gleich wissen. Also sagte sie so desinteressiert wie möglich:
»Also, eigentlich warten heute die Kirchen und
Museen links vom Canale Grande auf mich.«
»Ach, so«, sagte er. »Ich verstehe. Du möchtest
dich also lieber wieder verlaufen gehen.«
Rebecca tat beleidigt und schubste ihn fort. Er
lachte nur, hob sie wieder in die Arme und drehte sie im Kreis.
»Dai, amore, vieni con me! Komm doch bitte mit mir,
meine Liebste! Ich verspreche dir, nächsten Sonntag mit dir weitere
Touristenattraktionen zu erobern. Und die, die dir am besten gefällt, werde ich
für dich zeichnen.«
Tief berührt sah Rebecca ihn an. Was machte er
nur mit ihr? Er war so fröhlich, offen und interessiert. Konnte es wirklich
sein, dass das alles nur eine Show war, die er jeder x-beliebigen Bediensteten
zeigte? Rebecca befand, dass er es Wert war, das herauszufinden. Sie wollte
sich ihre eigene Meinung bilden, nicht achtlos auf das Geschwätz der anderen hören.
Auch auf die Gefahr hin, dass sie sich ganz furchtbar dabei verletzen könnte.
Also legte sie ihre Hand in seine, sah in seine
bittenden grünen Augen und nickte. Dann rannten sie los.
Die Saveras besaßen einen eigenen Anleger. Eines der
Boote trug den Namen »Figlio«, was Sohn
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