Sommer in Venedig
Feier. Mit dem ist sie zurück nach Deutschland,
glaube ich. War ihr wohl doch zu anstrengend, die Arbeit hier.«
Ohne Antwort verließ Gregorio den Raum und eilte
zu Zimmer 9, wo er kurz darauf einem verschlafenen Matteo und Ariana gegenüber
stand.
»Ma, che cos’ è sucesso? Was ist denn los?«, fragte
Matteo, während Ariana Gregorio ins
Innere des Zimmers zog.
»Sie ist weg! Mein Mädchen ist abgehauen mit
einem Deutschen, sagt Emilia.«
Das Pärchen sah sich an. Dann sagten sie wie aus
einem Munde: »Impossibile! Das ist vollkommen ausgeschlossen. Das muss eine
ihrer Lügen sein.«
Gregorio suchte das ganze Hotel ab: die Küche,
die Etage, auf der Rebecca saubermachte, den Garten im Innenhof. Nichts! Eine
halbe Stunde später fiel sein Blick auf die Bürotür seines Vaters. Ein
Lichtschein unter der Tür verriet ihm, dass er noch auf war. Mit seiner Mutter
war er gerade schon heftig aneinander geraten. Nun kam es auf seinen Vater auch
nicht mehr an, dachte er, und betrat ohne anzuklopfen das Büro.
»Was habt ihr mit Rebecca gemacht?«, fragte er
ohne Umschweife.
»Siediti! Setz dich! Ich dachte mir schon, dass
ich dich heute noch sehen würde«, entgegnete Signor Savera gelassen.
»Es ist also wahr, was Emilia gesagt hat«,
schlussfolgerte Gregorio. »Sie ist mit einem Deutschen abgehauen.«
Signor Savera lachte laut auf. »Das sagt sie? Es
ist eher so, dass deine liebe Emilia Rebecca rausgeekelt hat. Sie hat ihr von
einer Abmachung mit deiner Mutter erzählt, dass sie als deine zukünftige Frau
vorgesehen ist.«
Gregorio kochte innerlich. Sein Puls raste.
»Papà«, sagte er, nachdem er tief durchgeatmet
hatte. »Macht es dir etwas aus, wenn ich Signorina Emilia noch heute Nacht
hinauswerfe?«
Signor Savera lächelte. »Aber nein, ganz und gar
nicht. Es wird Zeit, dass du auch diesen deiner Aufgabenbereiche als Hotelier
kennenlernst.«
Gregorio erhob sich. »Ti ringrazio, Papà! Ich
danke dir.« Dann stürmte er davon.
Um neun Uhr wachte Rebecca auf. Es war angenehm kühl
in ihrem neuen Zimmer, das offenbar über eine Klimaanlag verfügte. Ansonsten
war es schlicht, aber zweckmäßig eingerichtet. Das Bad war auch hier nicht groß,
aber sauber und voll ausgestattet. Als Rebecca sich nach dem Duschen mit dem
weißen Badetuch abrubbelte, musste sie fast schon wieder weinen. Es waren die
gleichen Handtücher wie in Venedig. »Hotel Savera« war auch hier in den oberen
Rand eingestickt worden.
Sie packte gerade ihren Koffer aus, als es
klopfte. Vor der Tür stand Mariella zusammen mit ihrer Tochter Stella.
»Buongiorno, du Schlafmütze«, sagte Stella und
grinste Rebecca an. Die hockte sich hin und fragte:
»Sie wurden mir noch gar nicht vorgestellt,
kleine Schönheit.«
Das Mädchen lachte und ihre smaragdgrünen Augen
trafen Rebecca mitten ins Herz.
»Aber ich bin doch Stella«, antwortete diese, als
hätte Rebecca das längst wissen müssen.
»Ach, so!«, ging sie spielerisch darauf ein. »Na
dann wünsche ich dir doch auch einen schönen Guten Morgen, Prinzessin Stella!«
Lachend hüpfte das Mädchen auf einem Bein durch
das Zimmer. Rebecca richtete sich auf und bat Mariella herein. »Und? Schläft es
sich auch in den römischen Betten der Saveras gut?«, fragte diese.
»Besser, muss ich gestehen, denn in Venedig hatte
ich keine Klimaanlage.«
»Das wird daran liegen, dass sie dir dort kein
vernünftiges Zimmer zur Verfügung gestellt haben. Ich werde mich bei meinem
Vater beschweren für dich.«
Sie lachte. Rebecca aber schüttelte den Kopf:
»Nein, bitte nicht. Er war so freundlich zu mir,
als ich ihn brauchte. Dabei hatte ich es gerade von ihm am wenigsten erwartet«,
sagte sie.
»Ach, mein Vater tut nur so. Er hat ein gutes
Herz. Nur die Schale hat sich ein wenig verhärtet mit der Zeit.«
»Ma guarda, mamma! Mama, guck doch mal! So ein
schönes Bild will ich auch malen.«
Stella zeigte auf das Bild, das Rebecca auf dem
Tisch ausgebreitet liegen hatte, damit es wieder glatt wurde.
»Attenzione«, ermahnte Mariella ihre Tochter. »Das
sieht mir aus wie ein Originalkunstwerk meines Bruders, oder?« Rebecca nickte. »Also
hat er doch jemandem seine Zeichnungen gezeigt.«
»Ja, mir und manchmal Stella. Sonst hat sich ja
auch nicht wirklich jemand dafür interessiert. Im Gegenteil! Er wurde schon als
kleiner Junge von unserer Mutter ausgeschimpft, wenn er zu viel Zeit mit seinen
Stiften verbrachte. Sie wollte immer, dass aus ihm ein knallharter
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