Sommer in Venedig
Geschäftsmann
wird. Aber so ist Gregorio nicht. Er ist so vielseitig und offen für alles in
dieser Welt. Die Verkleidung eines Geschäftsmanns würde ihn nur einengen und
letztendlich ersticken«, sinnierte Mariella.
»Ich hätte so gern einen Rahmen für das Bild.«
Fragend sah Rebecca Mariella an. »Ich habe Angst, dass es sonst irgendwann
Schaden nimmt. Außerdem würde ich es gern irgendwo aufhängen. Es ist, zusammen
mit dieser Kette«, sie zeigte auf den bunten Glasanhänger an ihrem Hals, »das
Einzige, was mir von Gregorio geblieben ist.«
Traurig sah sie die Italienerin an.
»Mamma! Signor Bertollini soll ihr einen Rahmen
machen. Ich weiß, dass er das kann. Er hat mir doch auch schon welche für meine
Glitzerbilder gemacht. Weißt du noch, Mama?« Sie zupfte an ihrem Rock.
»Eine wunderbare Idee, Stellina mia!« Mariella
streichelte ihrer Tochter über den Kopf.
»Am besten gehst du und zeigst Rebecca unser
Esszimmer. Sicher hat sie Hunger.«
Rebecca bejahte das.
»Siehst du! Und ich gehe derweil Signor Bertollini
holen, damit ihr einen schönen Rahmen für das Bild bauen könnt, ja?«
Stella bekam große Augen. »Glaubst du, ich darf
ihm helfen? Oder zuschauen?«
»Aber ganz bestimmt glaube ich das. Jetzt aber
los, ihr Zwei!«
Die kleine Stella kannte das große Hotel wie ihre
Westentasche. Flink hüpfte sie von einer Etage zur nächsten und verlief sich
auch nicht in dem Labyrinth der vielen gleich aussehenden Gänge. Im Gegensatz
zum venezianischen Hotel, war das römische Haus von schlichterer Eleganz. Klare
Linien und Unitöne dominierten im gesamten Gebäudekomplex.
»Wohin führst du mich nur?«, fragte Rebecca
lachend.
»Na, in unser Zuhause. Ich habe doch in unserem
Esszimmer schon den Tisch für dich gedeckt.«
»Bist du ganz sicher, dass ich bei euch zuhause
willkommen bin? Ich meine, ich werde ab morgen eines eurer Zimmermädchen sein.«
»Ich möchte das aber nicht«, sagte Stella. »Ich
hab schon zu Mama gesagt, dass ich dich lieber als meine Nanni will. Du willst
das doch auch, oder?« Die grünen Augen sahen flehend zu ihr auf.
»Das möchtest du?«, fragte Rebecca erstaunt.
»Na, klar! Du bist doch die Freundin von meinem
Onkel Gregorio. Und da muss ich doch ausprobieren, ob du auch die Richtige für
ihn bist.«
Sie zog Rebecca am Ärmel zu sich herunter. »Das
musste ich meinem Nonno Lorenzo doch gestern am Telefon versprechen«, flüsterte
sie Rebecca ins Ohr und kicherte. »Du meinst, dein Opa möchte, dass du guckst,
was ich so für eine bin?«, hakte sie nach.
Stella nickte.
»Gut, wenn das so ist, dann will ich jetzt auch
mal sehen, ob du mir ein schönes Frühstück zubereitet hast.«
Rebecca zwinkerte dem Mädchen zu.
»Wirst du gleich sehen«, sagte die Kleine, öffnete
die Tür zu einer geräumigen Suite und führte sie in das Esszimmer.
Das Hotel war perfekt organisiert. Mariellas Mann
Sebastiano beherrschte sein Handwerk, das merkte Rebecca sofort. Trotzdem war
er ein herzlicher Mann und fürsorglicher Vater. Ein bisschen beneidete Rebecca
die kleine Familie um ihr harmonisches Leben voller Liebe und Reichtum. Alle
waren so gut zu ihr, nahmen sie auf wie eine Verwandte, sodass sie es niemandem
mehr gegönnt hätte als ihnen, so leben zu dürfen. Sie genoss die Zeit wie einen
Urlaub. Auf Stella aufzupassen, machte ihr überhaupt keine Mühe. Im Gegenteil!
Das Mädchen war aufgeweckt und immer gut gelaunt. Es gab nichts, was sie nicht
brennend interessierte. Schon am zweiten Nachmittag ihres Aufenthalts kam
Stella in Rebeccas Zimmer gestürzt.
»Du musst mir das Bild von Zio Gregorio geben.«
»Was willst du mit der Zeichnung von deinem Onkel?
Habt ihr etwa einen Rahmen gebaut?«
»Pah, doch nicht bloß einen«, verkündete das Mädchen
stolz. »Zuerst hat Signor Bertollini den Rahmen für dich gebaut. Währenddessen
habe ich auch ein Bild gemalt, ein Bild vom Strand. Und weil Signor Bertollini
es so gut gelungen fand, hat er mit mir zusammen auch noch dafür einen Rahmen
gebaut.«
»Das ist ja toll!«, lobte Rebecca. »Kann ich
vielleicht mitkommen zu Signor Bertollini? Dann kann ich mein Bild selbst zu
ihm bringen.«
»Na klar!«, rief sie und rannte los. Rebecca
schnappte sich die Zeichnung und beeilte sich, der Kleinen zu folgen.
Kapitel 21
Es war schon fast Schlafenszeit. Rebecca hatte
mit den Saveras zu Abend gegessen, wollte dann aber nicht aufdringlich sein und
hatte sich früh zurückgezogen. Nun lag sie in ihrem
Weitere Kostenlose Bücher