Sommer in Venedig
Entscheidung mitzuteilen. Allerdings
bin ich mir ziemlich sicher, dass, egal wie er sich entscheidet, ich ihn nicht
davon abhalten werden kann, morgen nach Rom aufzubrechen. Wie es aussieht, würde
er sich auch zu Fuß auf den Weg machen, wenn ich ihn heute noch enterbte.
Ich hoffe, die o.g. Neuigkeiten konnten Ihre
Stimmung ein wenig aufhellen.
Hochachtungsvoll,
Lorenzo Savera
Rebecca musste den Brief zweimal lesen, bevor sie
glauben konnte, was ihr der Chef der Hotelkette Savera da persönlich und von
Hand geschrieben hatte.
Gregorio hatte Emilia gefeuert. Er hatte sich
gegen seine Mutter durchgesetzt und er bat seinen Vater um Erlaubnis, die Frau,
die er eigentlich liebte - und das war offensichtlich sie - eine Woche lang
besuchen zu dürfen.
Sie griff nach dem Murano-Anhänger, den sie immer
an ihrem Hals trug, und küsste ihn. Den Brief hielt sie fest an ihr Herz
gepresst. So saß sie da und starrte auf den gerahmten Blumenmarkt, der vor ihr
an der Wand hing. Langsam sickerte es auch in ihre letzte Hirnzelle: Morgen würde
Gregorio kommen.
Kapitel 22
Früh um sechs Uhr konnte Rebecca nicht mehr
schlafen. Die ganze Nacht hatte sie von Gregorio geträumt. Sie duschte, wusch
ihr Haar und kämmte es heute besonders sorgfältig. Sie war furchtbar aufgeregt,
konnte sich für keines ihrer Kleider so recht erwärmen. Normalerweise
entschloss sie sich schnell. So kam es auch, dass sie noch in BH und Höschen
war, als es an der Tür klopfte.
»Un‘ attimo solo, Stellina! Einen Moment noch,
Stellina!«, rief sie, denn wer sonst sollte zu dieser frühen Stunde etwas von
ihr wollen. Sie griff sich den rosa Pareo, den sie nach ihrem letzten
Poolbesuch mit Stella achtlos in die Ecke geworfen hatte, und hielt ihn sich
vor die Brust. Als sie öffnete, traf sie fast der Schlag: Vor ihr stand
Gregorio.
Ihre Augen weiteten sich vor Überraschung. »Du?
Hier? Jetzt schon?«
»Soll ich lieber später wiederkommen?«, fragte er
amüsiert. »NEIN!!! Verdammt! Komm rein!«
Sie zerrte an seinem Arm und er gehorchte ihr.
Als die Tür hinter ihm ins Schloss fiel, ließ sie den Pareo fallen und sprang
ihrem Liebsten förmlich um den Hals. Sie küsste ihn, und erst als sie Salz
schmeckte, merkte sie, dass sie weinte. Sanft schob er sie von sich fort.
»Non piangere, per favore! Weine doch nicht! Ich
bin doch hier. Alles wird gut. Es war nur ein böser Scherz. Es ist vorbei!« Er
nahm ihr Gesicht in seine Hände und küsste jeden Millimeter davon, bis sie
wieder lachte.
»Wann bist du aufgebrochen, um schon so früh hier
zu sein?«, fragte Rebecca.
»Nicht wichtig«, gab er zurück. »Ich habe sowieso
kein Auge mehr zugemacht, seit ich erfahren habe, dass du fort bist.« Er drückte
sie an sich und küsste ihre Locken.
»Los, zieh dich an! Ich will dich zum Frühstück
einladen. Dann möchte ich dir unsere Hauptstadt zeigen und vielleicht ein paar
Zeichnungen machen. Hast du Lust?«
Und ob sie Lust hatte! Eilig griff sie sich ihre
abgeschnittenen Jeans und streifte ein himbeerfarbenes Top über. Wie üblich
stopfte sie Handy mit Fotoapparat so wie eine Flasche Wasser und ihre Geldbörse
in den Rucksack. Schon war sie startklar.
»Ist darin noch Platz für meinen Zeichenblock?«,
fragte er und sie steckte ihn vorsichtig dazu.
Den ganzen Tag lang streiften sie durch die
Stadt, besuchten das Forum Romanum, den Petersdom und das Kolosseum. Nach einer
kurzen Mittagspause, die sie mit Coca Cola und Tramezzini-Sandwiches mit Tomate
und Mozzarella, einlegten, zeigte Gregorio ihr den Trevi-Brunnen und »La bocca
della Verità«, den Mund der Wahrheit.
»Wenn jemand die Hand hineinhält, muss ihm ein
anderer eine Frage stellen. Wenn er die Wahrheit sagt, geschieht nichts. Doch
handelt es sich um eine Lüge, so sagt man, dann verschlingt der Mund seine
Hand.«
»Na dann los«, sagte Rebecca. »Steck deine Hand
hinein!«
Er tat wie ihm geheißen. »Und? Was möchtest du
wissen?«, fragte er.
Rebecca musste nicht lang überlegen. »Ich möchte
wissen, ob du mich liebst?«, fragte sie leise und schämte sich für diese dumme
Mädchenfrage.
»Aber das weißt du doch, Piccola. Ich dachte, du
möchtest mich etwas fragen, was du noch nicht weißt.«
Rebecca zögerte. »Glaubst du, dass unsere Liebe
eine Chance haben wird?«, fragte sie schließlich.
»Das ist eine Frage, die du lieber dem Schicksal
stellen solltest«, antwortete er. „Ich kann nicht wissen, was das Schicksal für
uns
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