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Sommer mit Nebenwirkungen

Sommer mit Nebenwirkungen

Titel: Sommer mit Nebenwirkungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Leinemann
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Sehnsüchtig drehte sich Sophie nach ihrem kleinen Fiat 500 um. Das Gefühl, nun ihrer Eigenmächtigkeit enthoben zu sein, stieg in ihr auf. Bis hierher hatte sie am Steuer gesessen. Von nun an steuerten andere.
    Sie brausten in den dunklen Wald hinein, und sofort wurde die Luft kühler und feuchter. Der Öhi sagte etwas zu ihr, Sophie verstand wieder kein Wort.
    »Ich denke, ich bleibe eine Woche, vielleicht auch zwei«, antwortete sie aufs Geratewohl und lag damit wohl nicht so schlecht. Das bärtige Urviech nickte.
    Der Weg wurde nun immer schwerer zu befahren, der Regen hatte ihn ausgewaschen und tiefe Furchen hinterlassen. Immer öfter stieg er an, und Sophie versuchte nicht nach rechts hinauszusehen, denn neben ihr ging es steil nach unten. Für Menschen wie Johann wäre diese Fahrt die Hölle, dachte Sophie, aber der Öhi schien den Wegverlauf blind zu kennen. Er riss das Steuer nach links und rechts, schaltete sofort in den zweiten Gang, wenn er mal wieder ein paar Meter Strecke machen konnte, und runter in den ersten, wenn der Anstieg zu heftig wurde. Der Jeep kam Sophie weniger wie ein Auto als wie ein Tier vor – Reiter und Gaul genossen diesen herausfordernden Weg nach oben. Ab und zu schielte der Öhi zu ihr hinüber und stellte wohl fest, dass sie ziemlich entspannt dasaß. Das schien ihm zu gefallen, denn er drückte auf das Gaspedal und wagte dann sogar den dritten Gang.
    So schraubten sie sich nach oben, der Tannenwald hörte zwar nie ganz auf, wurde aber immer öfter von Lichtungen unterbrochen. Wie traumhaft leer es hier war. Niemand begegnete ihnen, nur auf einer Wiese sah sie eine Familie mit Kindern picknicken. Sie winkten dem Öhi zu, und der winkte zurück. Fünf Kinder zählte Sophie – genauso viele passten in die Kindersitze des Sharan. Das musste die Urlauberfamilie sein. Dann konnte das Hotel nicht mehr weit sein.
    Tatsächlich endete kurz danach der Wald, sie fuhren mit dem Jeep auf eine Holzbrücke, die über eine tiefe Klamm führte. »Bis zu 3 t« stand warnend auf dem Schild, wie viel wog wohl so ein Jeep? Eher weniger, beruhigte sich Sophie, an diesem war ja nichts dran. Ein rohes Gefährt fast ohne Polster und Plastik. Keinerlei Schnickschnack. Die Brücke knarzte, als sie darüberfuhren, aber man hörte es kaum, der Bach unter ihnen toste zu laut. Sophie schaute nach links am Fahrer vorbei und sah dort einen Wasserfall herabstürzen. Jetzt spürte sie auch die Gischt im Gesicht. Nach rechts hatte sie einen wunderbaren Blick auf das Dolomitenpanorama, der berühmte Rosengarten lag in der Nachmittagssonne. Nun verließ der Jeep die Brücke wieder und nahm eine letzte starke Steigung. Der Öhi schaltete routiniert in den ersten Gang und folgte einer Haarnadelkurve nach links. Plötzlich tauchte das Hotel auf.
    Was für ein prächtiges Gebäude! Ein Haupthaus mit Giebeln und Steildächern. Die hell verputzte Fassade wirkte – anders als die massiven alten Bauernhäuser aus Naturstein in dieser Gegend – elegant und leicht. Holzbalkone hingen vor jedem Zimmer, damit die Hotelgäste an die frische Luft treten und den herrlichen Blick genießen konnten. Im Parterre öffnete sich zum Garten hin eine große Veranda aus Holz. Eine hölzerne Liegehalle schloss sich rechter Hand an, von hier aus hatte man freien Blick ins Tal und auf die Dolomiten. Holzschnitzereien prägten das Bild der Fassade. Das also war das Hotel Marienbrunn. Man sah dem Gebäude seine frühere Bestimmung weiterhin an – die Liegehalle, die vielen Balkone, der große Garten. Man konnte das ehemalige Sanatorium noch erahnen, zumindest wenn man davon wusste. Allerdings lag eine angenehme, gelassene Hotelatmosphäre über dem Ganzen. Man war weit weg von allem, von Städten genauso wie vom Handynetz und Internet – man ließ sich fallen. Die Gäste in der Liegehalle ruhten bequem, die Decken lässig über die Füße gelegt, einige sonnten sich mit geschlossenen Augen, andere nahmen einen Nachmittagscocktail zu sich. Der Jeep hielt mit einem Ruck auf dem Kies vor dem Haupteingang, ein paar Gäste schauten interessiert herüber, wer der Neuankömmling war. Sophie sprang aus dem Jeep, der Almöhi war schon draußen und wuchtete ihr Gepäck von der Ladefläche.
    »Wollen S’ hier einziehen?«, fragte er und war plötzlich erstaunlich gut zu verstehen. Sein Ton war ein bisschen brummig, aber nicht unfreundlich.
    »Nein, ein ganz normaler Urlaub«, log Sophie.
    »I woas scho, warum Sie da sind. Deshalb kommen all die

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