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Sommer mit Nebenwirkungen

Sommer mit Nebenwirkungen

Titel: Sommer mit Nebenwirkungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Leinemann
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Weibsbilder wie Sie. Wegen des Ziggl. Ihr wollt’s pluttern«, sagte der Almöhi.
    Ziggl? Pluttern? Was hieß das denn nun genau? Aber bevor Sophie nachfragen konnte, saß der Kauz schon wieder im Jeep und ließ krachend den ersten Gang einrasten. Zum Abschied fasste er sich ein letztes Mal an den Trachtenhut, kein leichtes Tippen mehr wie am Anfang, sondern ein kräftiger Griff zur Krempe. Täuschte sie sich, oder steckte hinter dem Krempengriff eine gewisse Anerkennung? Vermutlich freute er sich über Frauen, die sich während der Fahrt nicht hysterisch schreiend an ihn klammerten oder gleich verlangten auszusteigen. Kies spritzte auf, als der Jeep davonbretterte, dann war wieder Stille.
    Den Koffer hinter sich herziehend, betrat sie die Lobby. Ein prächtiger hoher Raum, ausgekleidet mit ungewöhnlich hellem Holz. Die verspielte Art, wie es geschwungen war, ließ den Jugendstil erkennen. Die Farbe des Holzes war ungewöhnlich hell, wie ein Kornfeld im Sommer, schoss es ihr durch den Kopf, und sie konnte nicht anders, als die schöne Holzvertäfelung zu berühren.
    »Das ist Birke«, hörte sie eine Stimme von der Rezeption her sagen. Eine junge Frau stand hinter dem Tresen, mit ihr hatte sie vermutlich telefoniert. »Birke aus Russland. Man brachte sie damals extra den weiten Weg nach Südtirol, wir haben hier nicht sehr viele Birken. Aber auch die russischen Gäste sollten sich wie zu Hause fühlen. Sie brachten dem Sanatorium viel Geld ein.« Die junge Frau grinste. »Heute auch wieder.«
    »Es ist wunderschön«, sagte Sophie ergriffen.
    »Ja, finde ich auch. Dieses Haus hat alle Zeiten überdauert, es ist immer sehr behutsam restauriert und modernisiert worden. Wir schätzen die Tradition, aber das werden Sie sicher noch merken. Frau Kaltenbrunn, nehme ich an.«
    Sophie nickte.
    »Willkommen«, sagte die Rezeptionistin nun förmlich und schob das Anmeldeformular herüber. »Wenn Sie diesen Zettel bitte ausfüllen würden? Adresse und Geburtsdatum reichen, wir brauchen keinen Reisepass oder Personalausweis.«
    Während Sophie noch schrieb, holte die Rezeptionistin einen schweren Messingschlüssel mit der Nummer 13 vom Haken.
    »Ich hoffe, Sie sind nicht abergläubisch – dazu gibt es wirklich keinen Grund. Das Zimmer Nummer 13 ist eines unserer schönsten Einzelzimmer, es besteht aus einem Schlafzimmer und einem kleinen Salon, vom Balkon haben Sie den Blick auf die Dolomiten. Das Badezimmer ist neu, der Rest alt.«
    Sophie musste lachen. »Haben denn schon Leute die Nummer 13 abgelehnt?«
    »Oh, wenn Sie wüssten, wie häufig das vorkommt. Dabei haben sich die großen Tragödien bislang in ganz anderen Zimmern abgespielt. In der 22 beispielsweise erschoss in den Zwanzigerjahren ein Offizier den Liebhaber seiner Frau, nachdem er sie in flagranti erwischt hatte.«
    »Und seine Frau ließ er leben?«, erkundigte sich Sophie erstaunt.
    »Ja, und nicht nur das. Nachdem er für die Tat zwei Jahre im Zuchthaus verbüßt hatte, fanden die beiden wieder zueinander und bekamen zwei Kinder. Sie wurden Stammgäste des Hauses, mieden allerdings das Zimmer 22. Kann man ja verstehen.«
    Das war ihr Stichwort.
    »Das Kinderkriegen ist bestimmt ein großes Thema hier oben«, wagte Sophie einen Vorstoß.
    »Wie bitte?«, sagte die Rezeptionistin und schaute sie sonderbar an. Verstand sie Sophie nicht? Oder mauerte sie?
    »Gibt es vielleicht spezielle Anwendungen, die besonders anregend sind?«, wagte sich Sophie noch etwas weiter vor, obwohl sie erschrocken merkte, dass ihre Formulierung ein wenig anzüglich klang. Aber irgendetwas musste hier oben mit den Frauen ja geschehen. Mit was hatte man früher nicht alles in Sanatorien experimentiert, um Menschen gesund zu machen. Magnetfelder gegen Migräne oder fest geschnürte Leibbinden, welche die inneren Organe wieder an den richtigen Platz schieben sollten. Irgendetwas musste hier praktiziert werden, das Wirkung zeigte. Und doch so unorthodox war, dass es die moderne Medizin nicht übernahm. »Anwendung«, fand Sophie, war doch ein ganz guter Sammelbegriff für etwas, von dem sie nicht genau wusste, was es war.
    Das Gesicht der Rezeptionistin erhellte sich. »Oh, die Anwendungen meinen Sie? Da haben wir verschiedene Packages anzubieten.« Sie griff nach unten, hinter ihren Tresen, und holte einen Flyer aus einem Fach, klappte ihn auf und begann zu erklären. »Einmal das Package 1 mit Schlammbad, Hot-Stone-Entgiftung und Massage. Oder, jetzt ganz neu, unser Package 2, das ganz

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