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Sommer mit Nebenwirkungen

Sommer mit Nebenwirkungen

Titel: Sommer mit Nebenwirkungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Leinemann
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dachte Sophie, er macht sich über mich lustig. Und mit einem Krachen ließ sie die vollen Kanister in die Schubkarre fallen.

12
    Bald musste die Wiese kommen. Vorbei an dem Kruzifix, dann weiter auf dem Wanderweg 8, dem mit dem halb schwarzen, halb weißen Quadrat als Symbol. Sophie schaute auf ihr Handy, nein, es hatte noch immer keinen Empfang. Aber die Rezeptionistin hatte sie schon gewarnt, dass es hier in den Bergen oft um wenige Meter ging, die darüber entschieden, ob das Smartphone Kontakt zur Welt herstellen konnte. »Sie müssen durch das Gatter und auf die Weide gehen. Lassen Sie sich von den Schafen nicht beirren. Aber bitte, bitte schließen Sie das Gatter hinter sich. Und …«, ihre Stimme senkte sich, »passen Sie bloß auf, wo Sie hintreten.«
    Noch bevor sie die Weide erreichte, hörte sie schon ein tiefes, sattes Blöken, wie nur Schafe es hinbekommen. Sie bog um die Kurve und entdeckte mehr als zwanzig grasende Tiere auf der Wiese. Mit so vielen Schafen hatte sie nicht gerechnet. Egal, munterte sie sich auf, das sind ja friedliche Tiere. Aber lieb war ihr diese Nähe zu den Viechern nicht. Was Tiere anging, war Sophie durch und durch ein Stadtmensch. Die vielen Hunde auf Berlins Straßen reichten ihr schon, mehr Bedürfnis nach Vierbeinern verspürte sie nicht. Deshalb hatte sie an der Rezeption auch extra nachgehakt.
    »Gibt es nicht einen schaffreien Platz mit Handyempfang?« Die Antwort war deutlich gewesen: Sie müsse entweder den ganzen Weg zum Auto hinunterlaufen und dann in das kleine Dorf fahren, wo sie vor Tagen die Zeitungen gekauft hatte – oder sehr weit bis auf irgendeine Alm hochsteigen. Die Schafswiese sei der allernächste Platz, bis dahin laufe man lediglich eine Viertelstunde.
    »Und wieso gibt es ausgerechnet dort Empfang?«, fragte Sophie.
    »Weil der Franzl, der Schäfer, auf dem Dach seiner Hütte eine Antenne für Mobilfunk installiert hat. Die Stille hier oben konnte der nie gut ertragen. Und die Hütte ist oberhalb der Wiese.«
    Alles klar.
    Das Gatter war mit einem einfachen Holzriegel verschlossen, Sophie öffnete es. Sofort reagierten die Schafe, sammelten sich zur Herde und blökten aufgeregt. Es war schwer zu sagen, ob sie ihr Eindringen nun erfreulich oder bedrohlich fanden. Sophie fluchte. Sie hatte es doch geahnt, wahrscheinlich war es eine Herde importierter asiatischer Kampfschafe. Aber sie wusste sich zu wehren. Sie brachte eine ganz eigene Waffe mit: klein geschnittene Mohrrüben. Damit würde sie die Viecher ablenken. Während die Schafe bedrohlich näher kamen und sie in ihrer Handtasche kramte, merkte sie, dass ihr Handy nun Empfang hatte. Es piepte. Für jede neue Nachricht und jeden neuen Anruf einmal.
    Piep, piep, piep.
    Das dreisteste Schaf kam nun auf sie zu, es hatte die Mohrrübe in ihrer Hand entdeckt. Vermutlich war es der Gangsterboss.
    Piep, piep, piep, piep.
    Nun setzten sich die anderen noch schneller in Bewegung, deren Leitung wohl etwas länger war. Das dreiste Schaf legte einen weiteren Schritt zu, mochte seinen Spitzenplatz nicht verlieren, die anderen erhöhten nun auch das Tempo, alle wollten an die Karotten. Eine Wasserpistole wäre mir jetzt lieber als Rohkost, dachte Sophie. So eine, mit der man extrem weit schießen konnte – eine Super-Soaker-Tornado-Strike, die fast ein kleiner Wasserwerfer war. Damit könnte sie die Schafe zurückdrängen.
    Piep, piep, piep, piep.
    Das Piepen hörte überhaupt nicht auf. Irgendwer versuchte wirklich dringend, sie zu erreichen. Kein gutes Zeichen. Am liebsten hätte Sophie das Teil wieder ausgestellt, denn plötzlich wurde ihr bewusst, dass es eine Welt da draußen gab, die Berlin hieß – und zu ihr gehörten ihre Arbeit, ihr Verlobter und der Ärger mit einem arroganten Journalisten. All das hatte sie ziemlich abrupt hinter sich gelassen, doch im Moment häuften sich eine ganze Menge Probleme in ihrem Leben.
    Plötzlich spürte sie einen feuchten, warmen Lappen an ihrer Hand. Sophie schaute erschrocken hinunter. Das dreiste Schaf sabberte sie mit seinen großen Lippen an, während es versuchte, ihr die Mohrrübe aus der Hand – ja, was tat es da gerade? – wegzuschlabbern. Wie ein fieser, feuchter Knutschfleckkuss. Ein Spuckefaden hing von ihrem Finger. Jetzt spürte sie auch noch die harten, sehr gelben Zähne des Schafs, das dringend einmal eine Zahnreinigung gebraucht hätte. Ein Raucherschaf? Angewidert von so viel Natur warf sie die Mohrrübenstücke in hohem Bogen in die Luft, was zu

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