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Sommer mit Nebenwirkungen

Sommer mit Nebenwirkungen

Titel: Sommer mit Nebenwirkungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Leinemann
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Telefon:
    »Wo genau stecken Sie, Sophie? Ich habe Sie in den Urlaub geschickt, das heißt aber nicht, dass Sie von der Landkarte verschwinden sollen. Hatten Sie etwa Ihr Handy ausgestellt?«
    »Nein, hier ist kein Netz«, antwortete Sophie.
    »Kein Netz in Wien? Machen Sie sich über mich lustig?«, fragte die Chefin noch schärfer.
    Das Schaf hatte nun den Keks gefunden und kaute darauf herum. Welche Botschaft wohl gerade in seinem Bauch landete? »Danke für all die Kratzepullover«, vielleicht?
    »Ich bin in Marienbrunn«, sagte Sophie schlicht.
    »Im Zoo von Wien? Ach, deshalb das Schaf. Sind Sie etwa im Streichelgehege des Kinderzoos? Sophie, jetzt übertreiben Sie aber wirklich mit Ihrem latenten Kinderwunsch. Beobachten Sie dort etwa andere Mütter mit kleinen Kindern? Locken Sie die unschuldigen Zwerge mit diesem ekligen Tierfutter aus dem Automaten an? Sophie, Sie gehen dort jetzt sofort raus, hören Sie auf mich! Das ist krank, was Sie da veranstalten. Dafür kann man sich schnell eine Anzeige einfangen, wegen …« Sie suchte wohl selbst den Paragrafen. Verschärfter Kinderbeobachtung? »… Stalking.«
    »Schönbrunn. Der Zoo von Wien heißt Schönbrunn. Nein, Marienbrunn ist ein kleiner Ort in Südtirol. Ort ist wohl zu viel gesagt. Ein Hotel, mehr nicht. Wunderschön und alt, ordentlicher Spa-Bereich. Sie können es gerne googeln. Ich sollte mich doch erholen. Nur Handyempfang gibt es im Hotel nicht. Dafür muss man auf diese Schafswiese gehen, die liegt eine Viertelstunde entfernt.«
    Zurückrudern fiel der Chefin schwer, aber einen richtigen Grund, sich aufzuregen, fand sie nun nicht mehr. Also wechselte sie in einen nöligen Tonfall.
    »Wir haben Sie händeringend gesucht«, klang es beleidigt aus dem Telefon, »es geht um Grotemeyer. Er will wissen, wo Sie stecken.«
    »Warum denn das?«, fragte Sophie erschrocken.
    »Er will Ihnen irgendetwas schicken.«
    »Was? Eine Bombe?«
    Die Chefin seufzte. »Ich denke, eher Blumen. Was immer Sie getan haben, es hat gewirkt. Er zieht den Artikel zurück. Und er scheint vom schlechten Gewissen geplagt. Ich habe ihm gesagt, Sie seien in den Urlaub gefahren; jetzt will er unbedingt Ihre Adresse, um Ihnen – wie er sich ausdrückte – etwas zu schicken.«
    Jetzt wurde Sophies Stimme scharf. »Sie geben die Adresse nicht raus. Ich will keine Blumen von dem Kerl. Keinen Brief, kein Geschenk, nix. Ich will nur eines: nie wieder von ihm hören! Das können Sie ihm so ausrichten.«
    »Sophie«, jetzt versuchte die Chefin, Wärme in die Stimme zu legen, »lassen Sie den armen Mann doch seinen Strauß oder was auch immer losschicken. Sie können die Blumen ja gleich auf den Kompost werfen.«
    Wieder blökte eines der Schafe.
    »Oder an die Schafe verfüttern«, schlug sie jetzt vor. »Aber für C&O ist es eminent wichtig, dass dieser Grotemeyer kriegt, was er will, damit der Artikel nicht erscheint. Sie, Sophie«, jetzt bekam die Stimme die alte Schärfe zurück, »haben es verbockt. Sie müssen es jetzt auch ausbaden. Geben Sie mir also die Erlaubnis, Grotemeyer zu sagen, wo Sie stecken.«
    »Nein, niemals«, beharrte Sophie.
    »Dann mahne ich Sie ab«, schnappte die Chefin zurück.
    »Damit kommen Sie rechtlich nicht durch. Sie können mich nicht zwingen, einem Assessment-Kandidaten meinen privaten Aufenthaltsort zu verraten.«
    Danach war Stille in der Leitung. Es war überhaupt plötzlich sehr still, selbst die Schafe machten keinen Mucks. Ein leichter Wind fuhr durch die Bäume, aber man hörte nur wenige Blätter rascheln, da überwiegend Nadelbäume um die Wiese standen. Die Welt hielt den Atem an. Sophie und die Schafe auch.
    »Das hat ein Nachspiel«, hörte sie ihre Chefin sagen, die danach grußlos auflegte.
    Sophie blieb allein auf dem Stein zurück.
    Sie horchte in sich hinein. War sie bedrückt? Nein, im Gegenteil. Erleichtert. Sie war hart geblieben, hatte nicht klein beigegeben. Trotzdem war sie ein bisschen erschüttert. Jetzt eine Zigarette. War nicht eine in der Handtasche gewesen? Sophie begann zu suchen und fand schließlich die halb angebrochene Packung und zum Glück auch ein Feuerzeug. Der erste Zug tat gut, er beruhigte. Sie schaute auf die vielen Zigarettenkippen, die um den Stein herumlagen. Bald würde eine weitere dazukommen.
    Zeit, Johann anzurufen. Er hatte ihr mehrere Nachrichten hinterlassen, aber sie verspürte keine Lust, sie abzuhören. Lieber wollte sie direkt mit ihm sprechen. Ob er in Berlin war? Oder wieder auf Reisen?
    Das

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