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Sommer mit Nebenwirkungen

Sommer mit Nebenwirkungen

Titel: Sommer mit Nebenwirkungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Leinemann
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großer Verwirrung unter allen Schafen führte, die nun auseinanderstoben und sich im Gras auf die Suche machten. Jetzt waren sie beschäftigt. Sophie wischte ihre Hand im Gras ab und sah sich um. Am Rand der Wiese lag ein großer Stein, ein Findling, der sich ideal als Sitzgelegenheit eignete. Sie ging hinüber. Zumindest war das Handy endlich zur Ruhe gekommen.
    Dreiunddreißig Anrufe und Nachrichten. Schnell überflog sie die Liste – die Chefin, danach fünfzehn Mal die Assistentin der Chefin, Johann, am nächsten Tag wieder die Chefin, Johann, zweimal Nina und wieder die Assistentin. Oh, oh. Machte Grotemeyer seine Drohung mit dem Artikel etwa wahr? Sie ließ sich auf dem Stein nieder, der glatt war wie ein Stuhl. Sehr praktisch.
    Ein Blick auf die Uhr sagte ihr, es war kurz nach elf Uhr an einem Wochentag. Es gab keine Entschuldigung, sie musste jetzt gleich in Berlin anrufen. Sophie drückte die Nummer der Assistentin – es war immer besser, sich verbinden zu lassen. Das Gerät wählte eine Weile stumm vor sich hin.
    Mit den Füßen schabte Sophie in der staubigen Erde vor ihr. Hier, direkt am Stein, wuchs kein Gras. Offenbar weil hier häufig jemand saß. Überall lagen Zigarettenkippen herum, sogar ein Kaugummi klebte am Findling. Eine Tankstellenrechnung lag auf dem Boden, auf die Rückseite hatte jemand eilig eine Nummer gekritzelt. Ein bisschen weiter weg versteckte sich eine Visitenkarte im Gras. Dies schien die Freiluft-Telefonzelle des Hotels zu sein, alle Gäste kamen hierher, wenn sie eine Funkverbindung brauchten, und meistens setzten sie sich dann auf diesen Stein. Was war das Braune da im Gras? Ein dicker fetter Schafshaufen. Na super. »Beschissene Telefonzelle« kriegte hier eine ganz reelle Bedeutung. In dem Moment klingelte es am anderen Ende, aber nur einmal, denn das Gespräch wurde sofort angenommen.
    »Sophie, endlich«, keuchte die Assistentin ins Telefon. »Das wurde auch wirklich Zeit, dass du anrufst, sie dreht bald durch. Ich meine wirklich durchdrehen, nicht der Alltagsamok, den wir sonst kennen. Versprich mir, dass du ab jetzt jeden Tag mindestens einmal erreichbar bist. Jeden Tag! Versprichst du mir das?«
    »Auch sonntags?«, fragte Sophie, überrumpelt von so viel Heftigkeit.
    »Jeden Tag!« Die Assistentin schrie jetzt fast.
    »Alles klar, ich verspreche es. Ist sie denn …«, aber weiter kam sie nicht, denn sie hörte, wie sie gleich, ohne jede Verabschiedung, verbunden wurde. Da schien ja wirklich die Luft zu brennen.
    Auf der Wiese war alles ruhig. Die Tiere hatten sich von ihr abgewendet und grasten vor sich hin. Nur das Leitschaf erwartete mehr Karotten. Es wirkte ungehalten. Blökend beschimpfte es Sophie und kam wieder näher.
    »Hallo?«, hörte Sophie im Hörer. Das Schaf hatte nun Sophie erreicht und drückte mit seinem kräftigen schmalen Kopf, der sich sonderbar elegant gegen den sonst plumpen Körper ausnahm, gegen Sophies Knie. Super, gleich habe ich noch Sabber am Bein. Sie drehte sich weg, versuchte auszuweichen. Das schien das Schaf noch mehr zu provozieren.
    »Mähähä«, machte es wütend. Sophies eigenes »Hallo« ging regelrecht unter.
    »Ist da wer?«, hörte Sophie, die tapfer weiter versuchte, das Schaf abzuwehren. Danach drehte sich die Chefin vom Hörer weg und blaffte wütend in Richtung des Büros ihrer Assistentin: »Mara, sind Sie sicher, dass Sie mich mit Sophie Kaltenbrunn und nicht mit einer Tierhandlung verbunden haben?«
    »Ich bin hier«, rief Sophie, die froh war, dass das Schaf sie gerade mal nicht übertönte, eilig ins Telefon, »einen Moment, ich muss nur das aufdringliche Schaf weglocken.« Aber was sollte sie tun? Die Mohrrüben waren alle. Sie kramte in ihrer Handtasche und fand einen weiteren asiatischen Glückskeks. Was soll’s, dachte sie. Getreide, Zucker, Wasser und ein bisschen Papier mit einer Botschaft in der Mitte. Alles gut verdaulich für die vier Mägen eines Schafes. Sie riss schnell die Verpackung auf und warf den Keks weit weg. Ob das Schaf so schlau war wie ein Hund? Tatsächlich, dieses Schaf war nicht doof, es trottete nun in Richtung Keks.
    »So, jetzt kann ich reden, ich bin allein.«
    »Allein? Sie meinen, ohne Schaf«, erkundigte sich ihre Chefin seltsam freundlich – zu freundlich. Oh, den Ton kannte sie. Die stand kurz vor der Explosion.
    »Genau«, hielt Sophie deshalb ihre Antwort knapp. Und tatsächlich, die Chefin hielt nun nicht mehr an sich. Mit schneidend scharfer Stimme stieß sie ins

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