Sommer unter dem Maulbeerbaum
Ulkiges passiert. Ich ...« Sie hielt inne und sah zu ihm auf. »Es tut mir Leid, ich bin sehr unhöflich. Ich bin Bailey James.« Sie wischte sich die Hand an der Schürze ab und streckte sie ihm entgegen.
»Matthew Longacre«, sagte er und hielt ihre Hand fest. Doch über ihren Kopf hinweg war sein Blick auf den Topf hinter dem mit der roten Substanz gerichtet.
»Haben Sie Hunger?«, fragte sie. »Ich hab etwas vorbereitet, aber noch keine Zeit gefunden zu essen. Vielleicht möchten Sie mir ja Gesellschaft leisten?«
Mit großer Überwindung wandte Matt seine Augen und seine Nase von den Töpfen ab und sah zu ihr hinunter. Ist das ein Trick?, überlegte er. Hat Patsy ihr erzählt, dass ich kommen würde, und sie hat etwas gekocht, um mich damit einzufangen? »Kommt drauf an, was es ist«, antwortete er, wobei er so viel von Eigentlich-brauche-ich-ja-gar-nichts-zu-essen in seine Stimme legte, wie er konnte. Schließlich hatte er ja bereits einen von Ruth Anns »Spezial«-Hamburgern gehabt.
»Täubchen. Ich habe sie von einem Mann ein Stück die Straße hinunter erstanden.«
»Vom alten Shelby«, erklärte Matt und sah sie mit weit aufgerissenen Augen an. Der griesgrämige alte Farmer züchtete die Tauben und verkaufte sie dann an ein Gourmetrestaurant in Washington. Soweit Matt wusste, hatte noch nie jemand in Calburn Tauben zum Essen gehabt.
»Ja, das war sein Name. Reizender Mensch, und so hilfsbereit.«
»Shelby«, flüsterte Matt. Dieser Mann hatte schon oft die Leute mit dem Gewehr von seinem Grundstück gejagt.
»Mögen Sie Tauben? Sie sind doch nicht Vegetarier, oder?«
»Das kommt darauf an, was Patsy in ihren Hackbraten tut«, erwiderte er, doch sie sah ihn nur höflich lächelnd an und verstand nicht, was daran so komisch war. »Ja«, sagte er schließlich. »Ich mag Tauben.« Glaub ich wenigstens, dachte er bei sich.
»Gut«, sagte sie, ging zu dem riesigen Kühlschrank und nahm einen mit Frischhaltefolie abgedeckten Porzellanteller heraus. »Ich lege eben noch die Leber unter den Grill, dann ist das Essen fertig.«
»In Ordnung«, sagte er schwach. Leber. »Wie kann ich helfen?«
»Hätten Sie etwas dagegen, wenn wir draußen essen? Dieses Haus ist ...» Sie brach ab und gestikulierte vielsagend mit der Hand.
»Dunkel und bedrückend«, ergänzte er und lächelte zu ihr hinunter. Gegrillte Leber? Tauben? Apfel mit Ingwer? Was hatte Patsy noch gesagt? Dass die Witwe keinen Sex mit ihm haben wollte? Wenn das hier kein Sex war, dann ... »Verzeihung?« Er hatte nicht gehört, was sie gesagt hatte. Seine Geschmacksnerven waren so stark überlastet, dass seine Ohren nur noch auf Sparflamme arbeiteten.
»Da drinnen, im Esszimmer, sind die Sachen, die wir brauchen. Könnten Sie sie bitte nach draußen bringen?«
»Klar«, sagte er. Dann rannte er beinahe zur Anrichte im Nebenzimmer und zog die Schubladen auf, um Messer, Gabeln sowie Stoffservietten herauszuholen. Er öffnete noch eine Tür und brachte eine Tischdecke, Kerzenleuchter und Kerzen zum Vorschein. Voll bepackt ging er durch die Küche, blieb dann aber ruckartig stehen und sah ihr zu. Sie legte gerade ein paar undefinierbare rote Kügelchen auf Teller, auf denen sich bereits etwas befand, das aussah wie Hühnchenstücke. »Was ist das?«, flüsterte er.
»Eingelegte Weintrauben. Wenn Sie lieber keine ...«
»Nein!«, sagte er scharf, doch als er seine Stimme hörte, räusperte er sich. »Ich meine, nein, ich bin sicher, sie schmecken köstlich. Ich werde bestimmt begeistert sein. Ich bin sicher, es sind die besten eingelegten Trauben, die - ich meine, na ja, ich schätze, ich bring mal die Sachen hier nach draußen.«
Als er einmal draußen war, redete er sich selbst gründlich ins Gewissen. »Okay, Longacre, reg dich ab. Du machst dich zum Narren«, sagte er, während er das Tischtuch auf dem Boden ausbreitete und dann die Kerzenhalter daraufsetzte. »Bleib cool. Bleib ruhig. Reiß dich zusammen! Du verkaufst dich hier gerade für eine Portion gehackte Leber.« Bei diesem Vergleich musste er lachen.
»Sie machen es also auch«, sagte Bailey, als sie zwei volle Teller auf der Decke absetzte.
Matt konnte kaum die Augen von dem Essen abwenden. Sie hatte die gegrillte Leber zu einer Paste verarbeitet, diese dann auf Toast gestrichen, das Tau-benfleisch daraufgeben und sie mit den eingelegten Trauben dekoriert. Am Tellerrand lag Salat, und zwar nicht das geschmacklose, farblose Zeug, das Patsy und alle Übrigen in Calburn einem immer
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