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Sommerbuch

Sommerbuch

Titel: Sommerbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tove Jansson
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es heilig, dort wohnt Gott, zum Beispiel in einer Schachtel .«
    »So«, sagte die Großmutter und steckte den Kopf so weit wie möglich hinein, »und das hier, was ist das ?«
    »Alte Pilze«, antwortete Sophia.
    Doch die Großmutter erkannte, daß es Champignons waren und nahm den Hut ab. Sie schickte ihr Enkelkind hinein, um die Champignons in ihren Hut zu sammeln. Er wurde ganz voll.
    »Was hast du gesagt, er wohnt in einer Schachtel ?« fragte sie, und dann zog sie die heilige Lupatro-Schachtel hervor, denn sie war jetzt leer, und Sophia kroch wieder in die Grotte und legte sie auf den Altar.
    Zurück gingen sie wieder um Rosa Rugosa herum und gruben eines ihrer Kinder aus, um es an der Treppe zum Gästezimmer einzupflanzen. Die Wurzeln ließen sich ausnahmsweise ohne Ärger herausnehmen, eine Menge Erde dazu. Sie legten alles zusammen in eine alte Kiste »Gordons Gin«, die aus dem Tang hervorguckte. Ein wenig weiter ab fanden sie eine alte Russenmütze für die Pilze, damit die Großmutter wieder ihren Hut aufsetzen konnte.
    »Daß sich immer alles so löst ?« sagte Sophia. »Brauchen wir noch irgendwas? Sag genau, was du dir wünschst .«
    Die Großmutter sagte, sie sei durstig.
    »Gut«, sagte Sophia. »Warte auf mich .« Sie ging am Ufer entlang, bis sie eine Flasche fand, die auf dem Grund lag, sie hatte kein Etikett. Sie machten die Kapsel auf, es zischte, aber es war kein Soda, sondern Zitronenlimonade, die die Großmutter viel lieber mochte!
    »Siehst du«, rief Sophia. »Alles löst sich! Und jetzt werde ich für dich eine Gießkanne finden .« Doch die Großmutter meinte, daß sie an der alten hänge. Außerdem hatte sie das Gefühl, daß man das Schicksal nicht zu lange herausfordern dürfe.
    Sie wriggelten nach Hause. Wriggeln ist schön und ruhig, es ist nicht so anstrengend für den Bauch. Es war nach vier, als sie nach Hause kamen, und die Pilze reichten für die ganze Familie.

Die Landstraße

    Es war ein Bulldozer: eine enorme und teuflische, eine garstiggelbe Maschine, die mit Krachen und Brechen und laut gefräßigem Maul durch den Wald und über ihn fuhr, und um sie herum liefen die Männer aus dem Dorf wie hysterische Ameisen und achteten darauf, daß die Maschine in der richtigen Spur fuhr. »Verdammt noch eins !« schrie Sophia und hörte nicht, was sie schrie. Sie raste mit der Maschine gegen einen Stein und sah, wie die Maschine riesige Geröllblöcke erfaßte, die mehr als tausend Jahre unter dem Moos gelegen hatten.
    Jetzt wurden sie einfach aus der Erde gehoben und zur Seite geschoben, und es krachte und dröhnte, während sich die Kiefern bogen und mit abgerissenen Wurzeln nach oben kamen. »Jesus hilf, jetzt haut der ganze Wald ab !«
    Sophia trampelte auf dem Moos herum und zitterte vor Schrecken und vor Begeisterung am ganzen Leibe. Jetzt neigte sich lautlos der Faulbaum. Er sank nieder wie ein Seufzer, blanke schwarze Erde brach hervor, der Bulldozer nahm neuen Anlauf und lärmte weiter. Die Kerle schrien einander zu und waren nervös. Darüber konnte man sich nicht wundern, denn die Maschine war gemietet und kostete mehr als 100 Mark in der Stunde, inklusive An- und Abfahrt.
    Die Maschine sollte bis zur ersten Bucht fahren, das war deutlich. Um den Waldweg kümmerte sie sich nicht, sondern sie ging einfach drauflos und geradeaus wie ein Lemmingzug, sie machte nämlich eine Autostraße zum Meer.
    Jetzt, dachte Sophia, macht es keinen Spaß, eine Ameise zu sein. Eine Maschine kann alles. Sophia ging die Milch und die Post holen. Zurück ging sie nicht den Waldweg, sondern auf dem breiten unerhörten Weg, der plötzlich ganz still war. Auf beiden Seiten war er von einem Chaos eingerahmt, als hätten große Hände den Wald zurückgedrückt, ihn gebogen und zu Boden gezwungen wie weiches Gras, das sich nicht mehr aufrichtete. Die zersplitterten Stämme waren weiß, Harz lief an ihnen herab, und weiter drin im Wald lag eine grüne unbewegliche Menge, nicht ein Zweig oder ein Blatt konnte sich im Wind bewegen. Es war, als ginge man zwischen Steinmauern. Die Steine trockneten, und die Erde hing an ihnen fest und war grau geworden, auch auf der neuen Landstraße gab es graue Flecken. Die abgebissenen Wurzeln ragten überall nach oben, und an manchen Stellen war spitzes dünnes Geäst, mit vielen kleinen Klümpchen Erde, die in der Sonne trockneten, an unsichtbaren Fäden zitternd. Es war eine veränderte Landschaft, atemlos wie das Schweigen nach einer Explosion oder nach einem

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