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Sommerbuch

Sommerbuch

Titel: Sommerbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tove Jansson
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rasch.
    Eines Tages verließ die Katze das Spielhaus und zog ins Haus ein, wo sie die Nächte unter dem Bett in der Abwaschwanne schlief. Sie hatte nämlich schon um diese Zeit völlig eigene Ideen. Sophia trug die Katze zum Spielhaus zurück und tat alles, um ihre Zuneigung zu gewinnen. Je mehr sie es liebte, desto schneller fuhr das Kätzchen wieder in die Wanne. Wenn die Wanne zu voll wurde, schrie die Katze, und dann mußte jemand abwaschen. Sie hieß »Ma Petite « und wurde »Mappe« genannt.
    »Liebe ist komisch«, sagte Sophia. »Je mehr man jemanden liebt, desto weniger tut es der andere .«
    »Ganz richtig«, bemerkte die Großmutter. »Und was tut man dann ?«
    »Man liebt weiter«, antwortete Sophia drohend. »Man liebt schrecklicher und schrecklicher .«
    Ihre Großmutter seufzte und sagte nichts.
    Mappe wurde herumgetragen an alle hübschen Plätze, die ein Kätzchen vielleicht gern haben konnte, sie sah sich um und verschwand. Es wurde platt gedrückt von allen Umarmungen, es hielt artig aus und kroch in die Abwaschwanne. Es erhielt größtes Vertrauen, es wandte sich ab mit seinem gelben Blick, nichts in der Welt schien diese Katze zu interessieren, nur schlafen und essen.
    »Weißt du«, sagte Sophia, »manchmal glaube ich, daß ich Mappe hasse. Ich kann sie einfach nicht mehr lieben und denke doch die ganze Zeit an sie .«
    Woche um Woche verfolgte Sophia die Katze. Sie sprach sanft auf sie ein, tröstete sie und flehte um Verständnis, und nur ein einziges Mal war ihre Geduld zu Ende, und sie schrie sie an und zog sie am Schwanz. Daraufhin fauchte Mappe, raste unter das Haus, und danach hatte das Kätzchen noch mehr Hunger und schlief noch länger als sonst, eingerollt in seinen unerreichbaren Gleichmut und mit der Pfote quer über der Schnauze.
    Sophia spielte nicht mehr und hatte Alpträume. Sie konnte an nichts anderes mehr denken als an die Katze, die nicht treu sein wollte. Unterdessen wuchs Mappe und wurde eine schlanke kleine Wildkatze, und in einer schönen Juninacht kehrte sie zu ihrer Abwaschwanne nicht zurück. Am Morgen kam sie ins Haus und reckte sich, zuerst die Vorderbeine mit dem Hinterteil in die Luft, dann die Hinterbeine, sie machte die Augen zu und begann die Krallen am Schaukelstuhl zu wetzen. Danach sprang sie aufs Bett, um zu schlafen, die ganze Katze strömte Ruhe und Überlegenheit aus.
    Sie hat angefangen zu jagen, dachte die Großmutter.
    Sie hatte recht. Schon am nächsten Morgen kam die Katze und legte einen kleinen graugelben Vogel auf die Schwelle. Der Hals war einfach abgebissen, und ein paar rote Blutstropfen schmückten die blanke Federpracht. Sophia wurde blaß. Sie betrachtete unablässig den ermordeten Vogel, ging dabei an dem kleinen Mörder vorbei, steif und mit seitlichen Schrittchen, machte kehrt und lief hinaus.
    Später erwähnte die Großmutter die Eigentümlichkeit der wilden Tiere, zum Beispiel der Katzen, daß sie den Unterschied zwischen einer Ratte und einem Vogel nicht verstehen.
    »Dann sind sie dumm«, sagte Sophia kurz. »Eine Ratte ist widerlich, aber ein Vogel ist schön. Ich werde mit Mappe drei Tage lang nicht sprechen .«
    Und Sophia sprach nicht mehr mit ihrer Katze.
    Jede Nacht ging die Katze in den Wald hinaus, und morgens packte sie ihre Beute und brachte sie ins Haus, um bewundert zu werden, und jedesmal wurde der Vogel ins Meer geworfen. Danach stand Sophia immer vor dem Fenster und schrie: »Kann man jetzt hineinkommen? Habt ihr die Leiche fortgeschafft ?« Sie strafte Mappe und sie tat sich durch vernichtende Grobheiten selbst weh. Manchmal schrie sie: »Habt ihr die Blutflecken weggewischt ?« Oder: »Wie viele sind heute ermordet worden ?« Und das Frühstück war nicht mehr wie früher.

    Es war eine große Erleichterung, als Mappe endlich gelernt hatte, ihre Untaten zu verstecken. Es ist nicht dasselbe , eine Blutlache zu sehen oder nur davon zu wissen. Anscheinend hatte Mappe das Geschrei und den Zank satt, vielleicht glaubte sie, daß die Familie die Vögel aufaß. Eines Morgens, als die Großmutter auf der Veranda ihre erste Zigarette rauchte, fiel ihr das Mundstück aus der Hand. Es rollte in eine Ritze. Die Großmutter hob eine der Bohlen auf, und nun erblickte sie, was Mappe gemacht hatte: eine Reihe fein abgenagter kleiner Vögel.
    Sie wußte natürlich, daß die Katze weiter Vögel jagte, es nicht lassen konnte. Aber beim nächsten Mal, als sie an ihren Beinen entlangstrich , nahm sie sie beiseite und sagte: »Du schlauer

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