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Sommerbuch

Sommerbuch

Titel: Sommerbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tove Jansson
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Schrei, und Sophia sah sich alles an und ging den neuen Weg weiter, der viel länger als der alte wirkte. Es war lautlos im Wald. Unten in der Bucht sah sie, wie sich der Bulldozer in seiner ganzen Unförmigkeit gegen das Wasser abhob. Er war bis zur Strandwiese gekommen und hatte sich dort in einem Loch schräggestellt und dabei eine Masse Sand aufgewirbelt. Der Grashügel hatte nachgegeben, weich und verräterisch, völlig unerklärlich, und dort lag nun das waldfressende Ungeheuer, still und in schiefem Winkel, ein Bild gebrochener Kraft.
    Neben der Maschine saß Emil Ehrström und rauchte.
    »Wo sind die anderen ?« fragte Sophia.
    »Die sind zurückgegangen, sie holen das nötige Werkzeug«, sagte Emil.
    »Welches ?« fragte Sophia. Und Emil meinte, ob sie denn überhaupt etwas von Maschinen verstünde.
    Sophia ging durch das Gras weiter, über die grüne Sommerwiese, die alle Stürme überstanden hatte, die immer ein wenig nachgegeben hatte und weiter ihre zähen kleinen Wurzeln flocht. Weit draußen auf der Landspitze saß die Großmutter beim Boot und wartete.
    So eine Maschine! dachte Sophia. Sie wird aber staunen. Als ob Gott seine strafende Hand über Gomorrha ausstreckt. Das wird aber Spaß machen, wenn man fahren kann statt gehen!

Mittsommer

    Die Familie hatte einen Freund, der nie zu nahe kam: Eriksson . Er fuhr mit seinem Boot vorbei, vielleicht hatte er kommen wollen, aber es wurde nichts draus; und es gab Sommer, da Eriksson nicht in die Nähe der Insel kam, weder mit seinem Boot noch in Gedanken.
    Eriksson war klein und kräftig und hatte die Farben der Landschaft, die Augen waren aber blau. Wenn man über ihn sprach oder an ihn dachte, war es ganz natürlich, daß man den Kopf hob und übers Meer schaute. Er hatte oft Pech oder ärgerte sich über schlechtes Wetter oder wenn der Motor nicht wollte, wie er sollte.
    Die Treibnetze rissen, oder die Schraube verfing sich, oder es gab die Fische oder Vögel nicht dort, wo es sie geben sollte. Wenn man Glück hatte, fielen die Preise, es war also gehopst wie gesprungen. Aber außerdem und hinter dem und allem, was einem in die Quere kommen konnte, gab es immer noch andere Möglichkeiten, unvermutete Dinge.
    Sie hatten es, ohne darüber zu sprechen, seit langem begriffen, daß Eriksson gar nicht besonders gern angelte oder jagte, er liebte auch Motoren nicht. Was er wirklich liebte, war schwierig genau zu bestimmen, wenn es auch ganz verständlich war. Seine Gedanken oder plötzlichen Wünsche flogen wie die Laune des Meeres über das Wasser, mal hierhin, mal dorthin, und er lebte ununterbrochen in einer stillen Spannung. Das Meer ist unablässig Ereignissen ausgesetzt, die ungewöhnlich sind — dieses und jenes läßt sich treiben, anderes sinkt zu Grunde oder wird nachts im Meere brauchbar, wenn der Wind sich dreht. Man muß eine Reihe von Zusammenhängen erkennen können, Phantasie haben, immer aufmerksam sein. Und eben Nase haben! Die großen Dinge ereignen sich immer in den Schären weit draußen, und oft ist die ganze Sache nur eine Frage der Zeit.
    Innerhalb der Schären geschehen nur die kleinen Dinge, aber die müssen auch gehandhabt werden, Dinge, die mit Touristen zu tun haben. Der eine will einen Schiffsmast auf dem Dach haben und der andere einen Stein, der rund ist und anderthalb Tonnen schwer.
    Finden läßt sich alles, wenn man nur sucht und sich dabei Zeit läßt. Beim Suchen ist man frei und kann Dinge finden, an die man vorher gar nicht gedacht hat.
    Manchmal sind die Leute so wie sie eben meistens sind: Sie wollen zum Beispiel im Juni ein Katzenjunges haben und eine ertränkte Katze am ersten September. Wird gemacht. Aber manchmal haben sie auch Träume und wünschen sich etwas, das sie behalten können.
    Eriksson war ein Traum-Erfüller . Was er für sich selbst fand, wußte niemand so genau, wahrscheinlich viel weniger, als man meinte. Aber er suchte immer weiter, vielleicht nur um zu suchen.
    Was Eriksson geheimnisvoll und anziehend machte, war, daß er nie über sich selbst sprach, er schien dazu keine Lust zu haben. Er redete auch nicht über andere, sie interessierten ihn nicht besonders. Seine seltenen Besuche konnten jederzeit eintreffen, und er blieb nie lange. Wenn es gerade so kam, trank er Kaffee, oder aß etwas oder trank einen Kleinen, aus Höflichkeit. Dann wurde er schweigsam und unruhig, er begann die Ohren zu spitzen und ging lautlos weg. Wenn Eriksson bei ihnen war, konzentrierten sie sich völlig auf ihn. Niemand

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