Sommerbuch
Wellen überdauert. Die großen Wellen spülen über den Sandboden, doch innen in der Bucht stoßen sie auf das Gras und werden flach. Sie haben den Sand ausgegraben, das können sie, doch das einzige, was mit dem Grashügel geschah, war, daß er sank und sich in neue Hügel und Senken formte.
Man konnte weit hinausgehen und fühlte das Gras unter den Sohlen, zum Land hinauf wuchs es aus dem Tang empor, und noch weiter hinauf wurde es zu einem Urwald zwischen Spierling und Nesseln und Wicken und allen anderem, was Salz mag. Der Urwald war sehr dicht und hoch und nährte sich hauptsächlich von Tang und verfaultem Fisch. Er wuchs so hoch er konnte, und kam er nicht weiter, stieß er mit Salweide und Ebereschen und Erlen zusammen, die sich, so tief sie konnten, nach unten beugten. Und wenn man hier mit ausgebreiteten Armen durchging, fühlte es sich an, als ob man schwamm. Faulbaum und besonders Ebereschen riechen, wenn sie blühen, wie Katzenpipi.
Sophia bahnte sich mit einer großen Schere einen Weg durch den Urwald. Sie arbeitete geduldig und nur wenn sie Lust hatte. Niemand wußte etwas davon. Der Weg führte zunächst um den Rosenstrauch herum, der groß und berühmt war und Rosa Rugosa hieß. Wenn er blühte mit seinen riesigen einfachen Blumen, die dem Sturm standhielten, aber abfielen, wenn sie es wollten, kamen die Leute aus dem Dorf, um ihn sich anzusehen. Die Wurzeln waren hoch und von den Wellen saubergespült, in den Zweigen saß Tang. Jedes siebte Jahr starb Rosa Rugosa des Salzes und der ungeschützten Lage wegen, aber ihre Kinder im Sand um sie herum lebten auf und alles war wie immer.
Der Weg führte weiter durch einen garstigen Zug von Nesseln, dann kamen Spierling und die wilden Johannisbeeren, und unter den Erlen, da wo der Wald begann, stand der große Faulbaum. Am richtigen Tag und bei richtigem Wind konnte man unter einem Faulbaum liegen, und alle Blüten fielen auf einmal ab. Man mußte aber auf die Blattläuse aufpassen. Sie hielten sich fest, wenn man sie in Ruhe ließ. Schüttelte man sie aber nur ein ganz kleines bißchen von den Zweigen, fielen sie ab.
Nach dem Faulbaum kommen Tannen und Moos, der Felsen führt nach oben, und jedes Mal staunt man wieder über die Grotte. Ihr Anblick ist so unverhofft. Sie ist eng, und es riecht faulig, die Wände sind schwarz und feucht, und tief innen gibt es einen Altar mit grünem Moos, das genauso dicht und fein ist wie Plüsch.
»Du weißt nicht, was ich weiß«, sagte Sophia.
Ihre Großmutter legte das Mordbuch beiseite und wartete. »Weißt du, was ich weiß ?« fragte Sophia streng.
»Nein«, antwortete die Großmutter.
Sie ruderten den kleinen Fischerkahn hinüber und vertäuten ihn an einem Stein. Dann krochen sie um den Rosenbusch herum. Es war ein guter Tag für den heimlichen Weg, denn der Großmutter war ein wenig schwindlig, und sie fand, daß sie besser kriechen als gehen könnte. »Hier gibt es Brennesseln«, sagte sie.
»Das habe ich dir doch gesagt«, antwortete Sophia. »Kriech schneller, es ist nur ein kleines Stück .« Sie waren bis zum Spierling und Lysimachia und dann bis zum Faulbaum gekommen, als sie sich umkehrte und sagte: »Jetzt kannst du dich ausruhen und eine Zigarette rauchen .«
Aber die Großmutter hatte die Streichhölzer zu Hause vergessen. Sie legten sich unter den Faulbaum, sinnierten, und Sophia fragte, was man auf einem Altar haben könnte.
»Irgendwas Schönes, Ungewöhnliches«, sagte die Großmutter.
»Zum Beispiel was?«
»Och, alles mögliche ...«
»Nein, sag richtig !«
»Ich komme jetzt gerade nicht drauf«, antwortete die Großmutter, es ging ihr nämlich nicht gut.
»Vielleicht eine Menge Gold«, schlug Sophia vor. »Das ist allerdings nicht besonders ungewöhnlich .«
Sie krochen zwischen den Kiefern weiter, und vor der Grotte mußte die Großmutter sich ins Moos übergeben.
»So was kann vorkommen«, sagte das Kind. »Hast du deine Lupatro genommen ?«
Ihre Großmutter lag der Länge nach auf dem Boden und sagte nichts.
Nach einem Weilchen flüsterte Sophia: »Ich habe heute bestimmt Zeit für dich .«
Unter den Tannen war es gerade kühl genug, sie hatten keine Eile, sie schlummerten beide ein Weilchen. Als sie aufwachten, krochen sie bis an die Grotte heran, aber die Großmutter war zu dick, sie kam nicht hinein.
»Dann erzähl mir, wie es da drinnen aussieht«, sagte sie.
»Es ist grün«, erzählte Sophia, »und es riecht faulig und es ist sehr, sehr schön, und ganz innen ist
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