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Sommerbuch

Sommerbuch

Titel: Sommerbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tove Jansson
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Veränderung begann, als Sophias Vater mit der Post Blumenkataloge bekam. Er las nichts anderes als Blumenkataloge. Zum Schluß schrieb er nach Holland, und man schickte ihm eine Kiste vollgepackt mit Tüten. In jeder Tüte lag eine braune und eine weiße Zwiebel, eingebettet in leichten und schützenden Daunen. Der Vater bat sich eine weitere Kiste aus und erhielt daraufhin Ehrengeschenke aus Amsterdam, einen Holzschuh aus Porzellan, der eine Vase vorstellte, und Firma-Zwiebeln , die Houet van Moujk hießen oder so ähnlich. Im Spätherbst fuhr der Vater allein zur Insel und pflanzte seine Zwiebeln. Und den ganzen Winter über las er weiter über Pflanzen und Büsche und Bäume, denn er wollte sie alle so gut wie möglich verstehen, alle waren empfindlich und verwöhnt und mußten wissenschaftlich und mit großer Behutsamkeit behandelt werden. Sie konnten ohne echte Erde und Wasser zu bestimmten Zeiten nicht leben. Sie mußten im Herbst bedeckt werden, damit sie nicht froren, und im Frühjahr befreit werden, damit sie nicht verfaulten; sie mußten gegen Wühlmäuse, Sturm und Hitze und gegen Nachtfrost geschützt werden, und gegen das Meer natürlich. All das wußte der Vater. Vielleicht interessierte er sich auch deswegen immer mehr dafür.
    Als die Familie zur Insel zurückkam, hatte sie zwei Boote im Schlepptau. Riesige Ballen echter schwarzer Binnenland-Erde wurden an Land gerollt. Sie lagen am ganzen Ufer verstreut und sahen wie ruhende Elefanten aus. Kisten und Tüten und Körbe mit Pflanzen in schwarzen Plastikpaketen wurden auf die Veranda getragen, Büsche und ganze Bäume, die die Wurzeln in Säcken mit sich führten und Hunderte von kleinen Tontöpfen mit empfindlichen Sprossen, die in der ersten Zeit drinnen im Haus wohnen mußten.
    Das Frühjahr war spät, jeden Tag Sturm und Schneematsch. Sie machten den Herd so heiß, daß er zitterte, und verhängten alle Fenster mit Decken. Sie stapelten die Koffer gegen die Wand und machten zwischen den Pflanzen, die dicht nebeneinander auf dem Boden standen und die sich warm hielten, schmale Gänge.
    Manchmal verlor die Großmutter das Gleichgewicht und setzte sich auf einige der Setzlinge, aber die meisten richteten sich wieder auf. Um den Herd herum stapelten sie das Holz, das nicht trocknete, und die Kleider hingen an der Decke. Und auf der Veranda lagen die Pappel, der Zement und die Büsche unter der Plastikhaut. Es stürmte immer weiter, und allmählich wurde der Schneematsch zu Regen.
    Jeden Morgen wachte Sophias Vater um sechs Uhr auf. Er machte Feuer, kochte Tee und schmierte für die Familie Butterbrote, dann ging er hinaus. Er riß den Torf in großen Schollen auf und hackte den Felsboden sauber. Er grub innen im Wald und überall auf der Insel tiefe Löcher und füllte den zerfetzten Boden mit echter schwarzer Erde. Er rollte große Steine zueinander hin und baute Mauern, damit der Garten im Windschutz lag; an der Hauswand und an den Kiefern errichtete er ein Gitter für die Pflanzen, die klettern wollten. Das Moorloch grub er auf, denn dort wollte er einen Damm aus Zement haben. Die Großmutter stand am Fenster und guckte zu. »Das Moorwasser wird um zwanzig Zentimeter steigen«, sagte sie. »Und das mögen die Wacholderbüsche nicht .«
    »Dorthin sollen gefleckte Wasserlilien und rote Seerosen kommen«, sagte Sophia. »Wen geht es was an, was ein Wacholderstrauch gern möchte !«
    Ihre Großmutter sagte nichts. Aber sie beschloß, den aufgebrochenen Torf eines schönen Tages zu retten, wieder auf die richtige Seite zu drehen, denn sie wußte, daß er voll mit Margeriten war.
    Abends zündete der Vater die Pfeife an und grübelte über die chemische Zusammensetzung der Erde nach. Über den ganzen Tisch und Boden verstreut lagen Blumenkataloge, und die farbigen Bilder leuchteten im Schein der Lampe. Sophia und die Großmutter lernten, wie alles hieß, und hörten einander ab, und sie malten für jeden Namen ein Schildchen mit Druckbuchstaben.
    » Fritillaria Imperialis «, sagte Sophia. » Forsythia Spectabilis ! Das hört sich viel vornehmer an als Stiefmütterchen .«
    »Vornehm hin und vornehm her«, sagte die Großmutter. »Das Stiefmütterchen heißt Viola Tricolor , das ist nun mal so. Übrigens, bei ganz feinen Leuten gibt es nicht mal ein Namensschild .«
    »Aber wir haben doch eins in der Stadt«, sagte Sophia, während sie weiterschrieben.
    Eines Nachts legte sich der Wind, es hörte auf zu regnen. Die Großmutter wachte von der Stille auf

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