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Sommerfalle

Sommerfalle

Titel: Sommerfalle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Debra Chapoton
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Hand von dem Malbuch und fragte Miss Wicks, ob er aufs Klo gehen dürfe. Dort verbrachte er den Rest der Stunde, bis es Zeit war, in die reguläre sechste Klasse zu gehen.
    Er liebte Mrs. Marks. Und er liebte das Klassenzimmer der Sechsten mit den vielen hohen Fenstern zur Straße. Am meisten liebte er jedoch ein hübsches blondes Mädchen, das seinen Platz direkt am Fenster hatte. Becky McPherson.
    Er sah zu ihr hinüber und bemerkte, wie die hereinscheinende Sonne ihren Kopf mit einem Heiligenschein umgab und ihr Haar aufleuchten ließ. Doch plötzlich knallte ein Vogel gegen die Scheibe und fiel zu Boden.
    »Daddy liebt Vögel«, echote es in seinem Kopf. Der arme Vogel war jetzt sicherlich genauso tot wie sein Vater. Obwohl, vielleicht konnte er ihn noch retten. Er fragte Mrs. Marks, ob er dem Vogel nicht helfen dürfe, und sie erlaubte es.
    Eddie kletterte aus dem Fenster und hob das warme Häufchen Federn auf. Der Körper war schlaff, aber er zitterte noch leicht. Er drückte die winzige Brust ein paarmal, in der Hoffnung, das Herz zum Weiterschlagen zu bringen. Er hob das Köpfchen an seine Lippen und blies hoffnungsvoll in die leeren Lungen. Dann warf er den Vogel in die Luft. Er hielt den Kopf hoch und die Augen geschlossen. In seinem Herzen sagte er sich, wenn der Vogel flöge, gäbe es auch Hoffnung, dass sein Vater zurückkäme. Wie ein Wunsch beim Anblick einer Sternschnuppe.
    Anschließend kletterte er durchs Fenster wieder hinein und setzte sich auf seinen Platz. Mrs. Marks fuhr mit dem Unterricht fort, aber die meisten Schüler schienen abgelenkt und sahen sich immer mal wieder kichernd nach Eddie um.
    Eddie machte sich Sorgen. Sobald der Unterricht zu Ende war, suchte er draußen den Boden ab. Der Vogel saß unter den Fenstern der Nachbarklasse. Ein Flügel war gebrochen, und so hüpfte er hilflos im Kreis. Eddie hob ihn auf, hielt ihn fest und ließ ihn dann vorsichtig in seine Jackentasche gleiten.
    Zu Hause nahm er sich den Nagellackentferner seiner Mutter und ein paar Wattebäusche. Draußen hinter dem Schuppen gab er dem Vogel damit eine Narkose und untersuchte anschließend den Flügel. Das arme Tier würde immer leiden müssen. Es würde nie mehr fliegen können, genauso wenig wie sein Vater jemals wieder nach Hause käme. Er hielt den mit Flüssigkeit getränkten Wattebausch so lange über den Schnabel, bis der kleine Körper sich nicht mehr regte. Das war genau der Moment, als seine Mutter ihn entdeckte und rief: »Wenn du so was noch ein einziges Mal machst, setzt es aber wirklich etwas, sodass du es dein Lebtag nicht mehr vergisst. Und es interessiert mich nicht, ob du dafür eigentlich schon zu alt bist.«

Das Klingeln des Telefons ließ Josh aus dem Sessel hochfahren. Er riss den Hörer von der Gabel und stieß atemlos, ohne sich zu melden, hervor: »Haben Sie sie gefunden?«
    »Josh, ich bin’s, Sarah.« Sie schwieg kurz. »Ich vermute, es gibt noch nichts Neues, oder?«
    Josh ließ sich zurück in den Sessel plumpsen. »Nichts, Sarah. Die Polizei hat mich gebeten, zu Hause zu bleiben, damit ich erreichbar bin für sie. Oder auch für Rebecca, falls sie anruft. Ich versuche es selbst ständig auf ihrem Handy, aber es ist ausgeschaltet.« Er schwieg und griff sich mit einer Hand an den Kopf. »Sarah, ich kann einfach nicht glauben, was da gerade abgeht.«
    »Nicht aufgeben, Josh. Sie wird wieder auftauchen.« Sarah wartete auf eine Reaktion, aber als die ausblieb, fuhr sie fort: »Hör zu, Josh, hat die Polizei die Videoaufzeichnungen des Sicherheitsdienstes in der Mall überprüft? Vielleicht ist darauf irgendetwas zu sehen. Ich habe das noch gestern Abend selbst versucht, aber die haben mich abblitzen lassen.«
    »Ja, ja, daran haben die schon gedacht. Officer Lorenz sagte mir, sie hätten gleich am Abend dort angerufen und sich die Aufnahmen der letzten drei Stunden schicken lassen, für den Fall, dass es eine Vermisstenmeldung geben würde. Aber ich habe noch nichts weiter gehört.«
    »Verstehe.« Sarah klang entmutigt. Dann fiel ihr noch etwas ein. »Hey, Josh, jetzt fällt mir gerade noch was anderes ein. In einem der Läden war so ein Typ, der sie seltsam angestarrt hatte. Ich hab ihr gesagt, dass sie da einer angafft, aber bevor sie ihn selbst sehen konnte, war er schon wieder verschwunden.«
    Josh hob den Kopf. »Ruf besser die Polizei an und gib denen eine Personenbeschreibung. Vielleicht ist er auf den Aufzeichnungen vom Sicherheitsdienst zu sehen. Vielleicht können die

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